Die Überlebenden von der norwegischen Insel Utoya berichten von dramatischen Szenen. Einige Jugendliche schwammen um ihr Leben.

Rund 600 junge Menschen befinden sich auf der Insel Utoya, als der Angreifer, nach Angaben der Polizei ein 32 Jahre alter Norweger, gegen 17.00 Uhr das Feuer eröffnet.

Bei den Teilnehmern des Sommerlagers der sozialdemokratischen Regierungspartei herrscht zunächst Verwirrung. „Wir haben plötzlich Schüsse hinter einem Hügel gehört“, berichtet Khamshajiny Gunaratnam, eine Überlebende, in ihrem Internetblog. „Wir haben uns gedacht: Mensch, wer jagt denn hier? Es konnte doch nichts anderes sein als ein Jäger.“

Die norwegische Ferieninsel ist klein, gerade einmal 500 Meter lang, von Kiefern bewachsen. Als der Attentäter zu schießen beginnt, bleiben den Teenagern nicht viele Chancen zur Flucht. Viele von ihnen stürzen sich ins Wasser und versuchen, dem Angriff auf diesem Weg zu entkommen.

"Ich sah, wie sie ins Wasser sprangen, rund 50 Leute schwammen in Richtung Land", sagt die 42-jährige Anita Lien, die am Tyrifjord-See lebt, wenige hundert Meter von Utoya entfernt. „Die Leute weinten, zitterten, waren völlig verängstigt. Und sie waren so jung, zwischen 14 und 19 Jahre alt.“ Mindestens 80 Menschen entkommen nicht und fallen den Schüssen zum Opfer.

Eine Augenzeugin von Utoya, Nicoline Bjerge Schie, berichtet auf der Website der norwegischen Zeitung "Dagbladet" über den mutmaßlichen Attentäter: "Ich hab ihn nicht gesehen, aber gehört. Er schrie und jubelte und gab mehrere Siegesrufe von sich.“ Das Massaker habe etwa eine Dreiviertelstunde gedauert.

Ein Wachmann schildert, wie es dem Attentäter gelungen ist, auf die Insel zu gelangen. Der Mann habe sich als Polizist ausgegeben und sei in einem silbergrauen Wagen vorgefahren. „Er steigt aus dem Auto aus und zeigt seinen Ausweis“, schildert Simen Braenden Mortensen die Szene der Tageszeitung „Verdens Gang“.

„Er sagt, er sei geschickt worden, um die Sicherheit zu überprüfen. Dass das eine reine Routine sei nach dem Terroranschlag in Oslo.“ Im Zentrum der Hauptstadt war wenige Stunden zuvor vor einem Regierungsgebäude mit einem Büro des Ministerpräsidenten eine Bombe explodiert und hatte mindestens sieben Menschen getötet. „Das machte alles einen normalen Eindruck“, sagt Mortensen weiter. „Es wird ein Boot gerufen und das bringt ihn hinüber nach Utoya. Wenige Minuten vergehen, dann hörten wir die Schüsse.“

Sie habe Schüsse gehört, dann aber einen Polizisten gesehen und gedacht, sie sei sicher, sagte die 15-jährige Camperin Elise. Dann habe der Polizist direkt vor ihren Augen angefangen, auf Menschen zu schießen. „Ich sah viele tote Menschen“, sagte Elise. „Zuerst schoss er auf Menschen auf der Insel. Danach fing er an, auf Menschen im Wasser zu schießen.“ Sie habe sich hinter demselben Felsen versteckt, auf dem der Täter stand, berichtete das Mädchen. „Ich konnte seinen Atem hören.“ Es sei unmöglich zu sagen, wie lange sie gewartet habe, dass er aufhörte, sagte sie.

Ein Teenager verfolgt die Ereignisse vom Festland aus: „Wir hörten die Leute schreien, es war furchtbar“, erzählt der dem britischen TV-Sender Sky. „Viele winkten zu uns herüber.“ Anrainer des Sees rücken mit ihren Booten aus, um Teenager aus dem Wasser zu retten. „Ich habe mit meinem Boot viele Leute von der Insel herübergeholt“, sagt ein Mann, der in einem weißen Haus am Ufer lebt. „Ich habe viele Verletzte gesehen.“

Mehrere Opfer hätten sich tot gestellt, um zu überleben, berichtet ein Augenzeuge. Aber nachdem der Täter die Opfer mit der einen Waffe getroffen hatte, habe er ihnen mit einer Schrotflinte in den Kopf geschossen, sagte er. „Ich habe mehrere Freunde verloren“, sagte der junge Mann. Mit einem Mobiltelefon von einem dieser Freunde rief er die Polizei an.

Am frühen Samstagmorgen verlässt eine Ambulanz das Seengebiet nordwestlich von Oslo und bringt ein Opfer weg. Vor einem nahegelegenen Hotel fährt Auto um Auto vor. Tief besorgte Angehörige steigen aus, um hier die Überlebenden zu treffen, die von der Insel herübergebracht wurden. Die Polizei sucht noch immer das Eiland und den See ab, von Booten und auch Hubschraubern aus. Rettungsfahrzeuge stehen bereit.