Deutschlands Politiker streiten anlässlich des 20. Jahrestags des Bonn-Berlin-Beschlusses am 20. Juni wieder heftiger darüber, ob es sinnvoll ist, die Stadt im Rheinland weiter als zweiten Standort von Bundesministerien aufrechtzuerhalten.
Tatsächlich unterhalten noch alle Bundesministerien Dienststellen in Bonn, sechs davon haben sogar noch ihren Hauptsitz dort. Insgesamt arbeitet fast die Hälfte der rund 20.000 Ministeriumsmitarbeiter noch am Rhein. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hält dieses Konstrukt nicht für sinnvoll, er sprach sich für einen kompletten Umzug der Ministerien in die deutsche Hauptstadt aus: „Auf Dauer ist die Zweiteilung nicht vernünftig“, sagte er. Die konzentrierte Kommunikation in der Politik werde durch die 500 Kilometer Entfernung zwischen den Städten nicht befördert, sondern behindert. Allerdings müsse die immer noch grassierende Dauerpendelei vieler Beamter zwischen beiden Standorten laut Thierse nun nicht mit einem „Donnerschlag“ beendet werden. Vielmehr gelte es, durch „vernünftige Schritte“ die Arbeitsfähigkeit der Ministerien zu verbessern. „Das hilft auch der Demokratie insgesamt“, sagte der 67-Jährige, der einst als einer von 337 Abgeordneten im Parlament dafür gestimmt hatte, dass der Bundestag und der Kern der Bundesregierung umziehen („Berlin-Antrag“).
Der nordrhein-westfälische CDU-Landesgruppenchef Peter Hintze, der auch Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium ist, plädierte dagegen für den Erhalt des Zweitpolitikstandorts Bonn. Was damals so gewollt war, um die Folgen des Umzugsbeschlusses für die Stadt abzumildern, bleibt Hintze zufolge grundsätzlich weiter richtig: „Bonn steht für den deutschen Beitrag zur europäischen Einigung und dafür, dass wir moralisch und politisch in den Kreis der freien Völker zurückgekehrt sind“, sagte er. Er wolle, dass der deutschlandweit einmalige Titel „Bundesstadt“ für Bonn auch weiterhin durch die Anwesenheit von Bundesinstitutionen gerechtfertigt sei. Hintze hatte das Schicksal Bonns auch 1991 am Herzen gelegen – er stimmte damals dafür, dort zu verbleiben („Bonn-Antrag“, 320 Stimmen). Thierse argumentiert nun, Bonn gehe es doch „prächtig“ – die Entscheidung habe der Stadt gar nicht geschadet.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der damals eine historische Rede für Berlin gehalten hatte, betonte in der Zeitschrift „Super Illu“ hingegen, dass das Bonn-Berlin-Gesetz „grundsätzlich einzuhalten“ sei. Änderungen seien nur im Einvernehmen der Vertragspartner möglich. Da er sich selbst vor 20 Jahren „überdurchschnittlich stark“ für Berlin engagiert habe, werde er sich nun „nicht besonders stark dafür engagieren, den mit Bonn in diesem Zusammenhang geschlossenen Vertrag nicht einzuhalten“. Grundsätzlich sehe er in der Aufteilung der Ministerialbürokratie auf zwei Standorte kein Problem für die Leistungsfähigkeit Deutschlands. Er erwarte gerade in Berlin „etwas mehr Verständnis für Bonn“.