Vier Wochen nach dem harten Polizeieinsatz bei Protesten gegen das Milliardenprojekt Stuttgart 21 haben vier Demonstranten Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Die Männer, die durch Wasserwerfer schwere Augenverletzungen erlitten hätten, wollten die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes vom 30. September feststellen lassen, teilten die Stuttgart-21-Gegner mit. Die vier Kläger seien so erheblich verletzt worden, dass zu befürchten sei, dass sie auf dem jeweils betroffenen Auge nie wieder richtig sehen können. Einem der Männer drohe sogar der dauerhafte Verlust der Sehfähigkeit auf beiden Augen.
„Wir vier müssen nun ein Leben lang mit den Folgen dieses unverhältnismäßigen und rechtswidrigen Polizeieinsatzes leben“, sagte Alexander Schlager, einer der Kläger. „Die Rechtfertigungen der baden-württembergischen Landesregierung über den Einsatz sind kaum zu ertragen und klingen für uns wie Hohn, angesichts des Leids, das wir erfahren haben. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir keinerlei Gewalt angewendet haben und auch keine Gewalt seitens der Demonstranten beobachten konnten.“
Der Anwalt der Kläger, Frank-Ulrich Mann, kritisierte, die Polizei habe den Schutz des grundgesetzlich verankerten Versammlungsrechts ignoriert, das die Demonstration genossen habe. „Die Polizei hat damit den rechtswidrigen Akt der Baumfällungen im mittleren Schlossgarten mit rechtswidrigen Mitteln durchgesetzt. Das ist ein Skandal“, betonte er.
Der Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag zum Polizeieinsatz nahm am Donnerstagmorgen seine Arbeit auf. Das zehn Abgeordnete zählende Gremium kam zur konstituierenden Sitzung zusammen, wie die Parlamentspressestelle mitteilte. Der Ausschussvorsitzende Winfried Scheuermann sagte, er rechne damit, dass die Landesregierung bis zum 9. November ihren Bericht zum Untersuchungsauftrag vorlegen werde. Unmittelbar danach werde sich der Ausschuss wieder zusammensetzen. Er soll klären, ob es eine Vorgabe der CDU/FDP-Landesregierung für das harte Vorgehen der Beamten am 30. September mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray gab.
Auch der Landtag insgesamt befasste sich am Morgen mit Stuttgart 21: Das Parlament lehnte einen landesweiten Volksentscheid über das Bahnprojekt ab. Gegen einen entsprechenden Antrag der oppositionellen SPD votierte die CDU/FDP-Mehrheit.
Die Grünen enthielten sich in der Abstimmung, weil die von der SPD vorgeschlagene Fragestellung auf die Akzeptanz des milliardenschweren Umbaus des Hauptbahnhofs und der neuen Schnellbahnstrecke nach Ulm ausgerichtet sei. Die Grünen seien aber für eine ergebnisoffene Volksabstimmung, sagte die Vize-Fraktionschefin Theresia Bauer. CDU und FDP erklärten, ein Volksentscheid zu dem Projekt würde der Verfassung widersprechen.