Morgenpost Online : Herr Dr. Ploog, Sie sind Graphologe. Sagen die Unterschriften unter dem Koalitionsvertrag etwas über die Charaktere der Unterzeichner aus?
Dr. Helmut Ploog: Sicher, aus den Unterschriften lässt sich einiges herauslesen.
Morgenpost Online: Was genau lesen Sie daraus?
Ploog : Es fällt beispielsweise auf, dass Seehofer das Zentrum beansprucht. Der für seine Unterschrift vorgesehene Platz war in der Anordnung allerdings auch sehr begrenzt.
Morgenpost Online : Wie interpretieren Sie Entscheidung des CSU-Chefs, in der Mitte des Koalitionsvertrages zu unterschreiben?
Ploog : Der lebt halt seine breite Unterschrift. Horst Seehofer hat sich nicht in den vorgesehenen begrenzten Raum eingeordnet. Aber er passt sich auch nicht an.
Morgenpost Online : Volker Kauder, Peter Ramsauer und Birgit Homburger haben sich dagegen in einer Zeile arrangiert.
Ploog : Wenn Sie genau hinschauen: Angela Merkel hat nicht weit genug links angefangen und ist deshalb sehr weit nach rechts gerutscht. Sie hat ihrem Kollegen den Platz beschnitten. Horst Seehofer wird sich gedacht haben, wenn für meine schöne Unterschrift nicht genügend Platz ist, suche ich mir eben welchen.
Morgenpost Online : Seehofers Unterschrift ist sehr geradlinig. Was lesen Sie aus der Unterschrift des bayerischen Ministerpräsidenten?
Ploog : Das Besondere ist: „Horst“ nimmt fast so viel Platz ein wie „Seehofer“, obwohl sein Vorname wesentlich kürzer ist. Die Unterschrift vermittelt etwas Ansprüchlichkeit, Breitspurigkeit. Er ist platzeinnehmend. Der Schriftzug wirkt sehr verbunden und kombiniert. Er strahlt Nüchternheit und Sachlichkeit aus. Edmund Stoiber transportierte mit seiner Schrift viel mehr Dynamik. Ihm war im Gegensatz zu Seehofer persönliche Darstellung sehr wichtig.
Morgenpost Online : Über Angela Merkels Unterschrift wird in den Internetforen viel diskutiert. Dort heißt es, dass die Unterschrift der Kanzlerin eher aussiehe wie das Signum von Evelyn Ihnel. Für die Darstellung der Anfangsbuchstaben ihres Vor- und Nachnamens pflegt die Kanzlerin einen sehr eigenen Stil, oder?
Ploog : Bei Merkel ist das „A“ nicht so geschlossen wie üblich. Das stimmt. Grundsätzlich fällt bei der Kanzlerin folgendes auf: Ihre Unterschrift unterscheidet sich deutlich von ihrer sonstigen Schreibweise, die eigentlich sehr gut lesbar ist. Ihre Unterschrift hingegen ist kaum zu entziffern.
Morgenpost Online : Was ist der Grund für diese Diskrepanz?
Ploog : Bei Unterschriften spielt die Routine und die Frage der Außendarstellung eine große Rolle. Die Schreibweise des eigenen Namens ist sehr leitbildlich beeinflusst. Wenn ich über fünf, sechs Schriftzeilen und eine Unterschrift verfüge, kann ich eine fundierte Schriftanalyse angehen. Es gibt auch sehr viele Menschen, bei denen keine Unterschiede zwischen Unterschrift und dem üblichen Schreibstil feststellen lassen. Bei Frank-Walter Steinmeier ist das der Fall. Das ist ein Zeichen für Integrität.
Morgenpost Online : Demzufolge steht es um die Integrität der Kanzlerin schlecht?
Ploog : Nein, nein. In ihrer Unterschrift gibt sie sich markiger und eckiger. Ich glaube, dass sie privat viel liebenswürdiger ist als in der politischen Arena. Eigentlich vermittelt ihre Schrift Freundlichkeit, Offenheit, Konstanz und Bescheidenheit.
Morgenpost Online : Die Kanzlerin durchbricht nicht die vorgesehene Linie, auf der Ihre Unterschrift stehen soll. Guido Westerwelle dagegen gleich zweimal. Was sagt das über einen Menschen aus.
Ploog : Manche Menschen halten sich an Linien. Soziale Normen und Vorschriften sind ihnen wichtig.
Morgenpost Online : Westerwelle nicht?
Ploog : Er kommt mit seiner Unterschrift nicht so gut weg. Merkels Persönlichkeit scheint besser entwickelt. Westerwelle fehlt in der Unterschrift die innere Stabilität. Der Nachname ist ja nicht einmal zu erahnen.
Morgenpost Online : Westerwelle benutzt auch eine andere Stiftfarbe. Lässt das Raum für Interpretationen?
Ploog : Nein, es war halt grad so ein schwarzer Stift greifbar. Blau wirkt freundlich ist für Unterschriften die gängige Farbe. Wenn Westerwelle ein Zeichen setzen wollte, dann hätte er grün oder rot nehmen müssen. Schwarz fällt im Gegensatz dazu nicht aus dem Rahmen.
Morgenpost Online : Angela Merkel, Guido Westerwelle und Peter Ramsauer verzichten auf den Doktortitel in Ihren Unterschriften. Was sagt das über die Persönlichkeit aus?
Ploog : Da sind wir wieder bei dem Platzproblem. Gerade bei Peter Ramsauer wurde es in der unteren Zeile sehr eng. Vielleicht glauben die Politiker allerdings auch, sich so dem Volk besser andienen zu können.
Dr. Helmut Ploog war Lehrbeauftragter für Schriftpsychologie an der Uni München und ist Vorsitzender des Graphologenverbandes . Der Verband bietet eine fundierte Ausbildung im Fernunterricht an, veranstaltet Tagungen und gibt eine Zeitschrift heraus. Helmut Ploog hat das Buch "Handschriften deuten" im Humboldt-Taschenbuchverlag veröffentlicht.