Im Atomstreit mit dem Iran hat der Weltsicherheitsrat neue Strafmaßnahmen verabschiedet. Zwölf der 15 Mitglieder stimmten zu. Brasilien und die Türkei lehnten schärfere Sanktionen ab. Der Libanon enthielt sich der Stimme.
Der Westen wirft dem Iran vor, heimlich Atomwaffen zu entwickeln. Teheran beteuert stets, mit dem Atomprogramm nur friedliche Ziele zu verfolgen. Der Iran hat bisher alle Aufforderungen der Vereinten Nationen missachtet.
Die Sanktionen richten sich erstmals gegen die iranischen Revolutionsgarden, eine der Säulen des Systems. Sie umfassen ein Reiseverbot für Mitglieder der paramilitärischen Truppe und Angestellte der von ihnen geführten Firmen. Hinzu kommen Kontensperrungen und Handelsbeschränkungen.
Künftig dürfen Panzer, Kampfhubschrauber, Kriegsschiffe und Raketensysteme nicht mehr an den Iran verkauft werden. Die neuen Sanktionen werden ebenso wie die bisherigen, seit 2006 gegen das Land verhängten Strafmaßnahmen völkerrechtlich verbindlich sein. Das bedeutet, dass Schiffe mit Frachtgut für den Iran gestoppt und auf geschmuggelte Waffen und Waffentechnologien durchsucht werden können.
In Teheran erklärte ein Sprecher des Außenministeriums im staatlichen Fernsehen, es handele sich um einen „unrichtigen“ Schritt, der „die Situation weiter verkompliziert“. Der iranische Botschafter bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien, Ali Asghar Soltanieh, kündigte eine Fortsetzung der Urananreicherung an, "egal wie viele Sanktionen noch kommen." Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte zuvor bereits gedroht, bei neuen Sanktionen nicht mehr mit den Vertretern der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschlands zu sprechen. Nach der UN-Entscheidung sagte er, die Resolution sei nur gut „für den Mülleimer“ und „keinen Pfifferling wert“.
Die Bundesregierung begrüßte die verschärften UN-Sanktionen gegen den Iran. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach am Mittwochabend in Berlin von einer „wichtigen Stunde der internationalen Diplomatie“. Mehr als zwei Jahre lang habe man Teheran zu Transparenz über sein Atomprogramm aufgefordert. Iran sei darauf aber nicht eingegangen. Sie hoffe, dass das Land nun mehr Kooperation zeige.
Russlands UN-Botschafter Vitali Tschurkin erklärte, dass seine Regierung „enorme Anstrengungen“ unternommen habe, um den Iran von seiner Verpflichtung gegenüber der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu überzeugen. Bedauerlicherweise habe Moskau „keine angemessenen Antworten aus Teheran erhalten“. Tschurkin beschrieb die neuen Sanktionen als „Zwangsmaßnahmen“, die Teheran endlich zum Einlenken bringen sollen.
Die UN-Botschafterin Brasiliens, Maria Luiza Ribeiro Viotti, sagte, die Verhängung neuer Sanktionen sei ein „falsches Signal" und würden mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Leiden der Menschen im Iran führen, und denen in die Hände spielen, die auf allen Seiten, nicht wollen, dass der Dialog sich durchsetzt.“ Die Türkei will indes weiter nach einer diplomatischen Lösung in dem Konflikt suchen.
Der diplomatische Kraftakt in New York hatte sich in einem Klima der Ernüchterung vollzogen. Trotz der neuen Strafmaßnahmen geht die Krise um das Atomprogramm unvermindert weiter. Keine der Weltmächte in dem UN-Gremium, die monatelang um die Details der Entschließung gerungen hatten, will sich der Illusion hingeben, dass das von allen gefürchtete Schreckensszenario wirklich gebannt ist: eine atomare Aufrüstung des Iran mit einem Rüstungswettlauf im Nahen Osten.
Die USA werteten das UN-Votum als Erfolg der multilateralen Diplomatie von US-Präsident Barack Obama, die sich vom konfrontativen Ansatz seines Vorgängers George W. Bush abheben soll. Außenministerin Hillary Clinton sprach von den „wichtigsten Sanktionen, die jemals gegen den Iran ergriffen wurden“. In den langen Verhandlungen über den Text dürfte bei Obamas Diplomaten freilich auch die Erkenntnis gereift sein, wie weit das Wünschenswerte in der Diplomatie bisweilen vom Machbaren entfernt ist.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die neue Resolution als „klare und ausgewogene Antwort auf die anhaltende Weigerung des Iran, die Zweifel an der friedlichen Natur seines Atomprogramms auszuräumen“. Damit werde ein deutliches Signal der internationalen Gemeinschaft abgegeben, dass eine atomare Bewaffnung Irans nicht akzeptabel sei. Die neuen Sanktionen führten der Führung in Teheran vor Augen, dass diese völkerrechtswidrige Haltung ihren Preis habe. „Unser Ziel bleibt eine diplomatische Lösung“, betonte der Außenminister weiter. Die Tür für Zusammenarbeit und Transparenz sei weiter offen.
Zu Recht bestehen Zweifel, ob die nun beschlossene vierte UN-Sanktionsrunde erreichen kann, was die vorangegangenen drei Runden seit Dezember 2006 nicht zu leisten vermochten: eine Abkehr des Iran von der Urananreicherung. Vor allem der Widerstand Chinas und Russlands, die ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen im Iran schützen wollen, hat den neuen Strafmaßnahmen viel von der in Washington gewünschten Schärfe genommen. Der Wert der Entschließung besteht nunmehr vor allem darin, dem Iran zu signalisieren, dass ihm die weitere internationale Isolierung droht.
„Den USA ist es trotz all der Anstrengungen der iranischen Regierung gelungen, etwas durch den Sicherheitsrat zu peitschen“, sagte der Iran-Experte Fariborz Ghadar vom Center for Strategic and International Studies in Washington. „Insofern ist es eine Niederlage für den Iran.“ Ghadar glaubt aber auch, dass dieser diplomatische Sieg für die USA „einen hohen Preis hatte“. Die Sanktionen seien in den langen Verhandlungen um die Zustimmung Chinas und Russlands „verwässert“ worden.
Abgesehen vom symbolischen Wert des UN-Beschlusses sehen Experten die längerfristigen Erfolgsaussichten der neuen Strafmaßnahmen eher skeptisch. „Nichts in der jüngeren Geschichte lässt erwarten, dass gemäßigte Sanktionen wie diese die Führung des Iran von ihrem derzeitigen Kurs abbringen könnte“, sagt der frühere US-Diplomat Richard Haass vom Council on Foreign Relations.
Angesichts des begrenzten Spielraums im UN-Sicherheitsrat wollen die USA und die EU den Druck auf den Iran durch eigene, viel weiter gehende Wirtschaftssanktionen verschärfen. Dabei wird auch Deutschland eine wichtige Rolle zufallen, das zu Irans wichtigsten Handelspartnern im Westen zählt. Allein im ersten Quartal 2010 exportierten deutsche Unternehmen nach Angaben der Deutsch-Iranischen Handelskammer Waren für 920 Millionen Euro in den Iran, ein Plus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15 Prozent. Irans Exporte nach Deutschland verdoppelten sich derweil auf knapp 160 Millionen Euro.