Es sind große Worte, die den "1. Integrationsbericht“ der nordrhein-westfälischen Landesregierung begleiteten. "Der Bericht gibt ein deutlich realistischeres Bild über den Stand der Integration in unserem Land als die bisher übliche Auswertung der Statistiken, die lediglich zwischen Deutschen und Ausländern unterscheiden“, erklärte der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU).
Freilich verkündete er dies nur per Pressemitteilung und mit dem Hinweis, dass der Integrationsbericht auf der Homepage des Ministeriums zu finden sei. Von einer Pressekonferenz hat Laschet, immerhin der bundesweit einzige sogenannte Integrationsminister, abgesehen, obgleich ihm das Thema am Herzen liegt. Vielleicht war dieser Verzicht ratsamer, weil der Bericht auf 243 Seiten entgegen allen Ankündigungen leider nur wenig überrascht.
Es ist zunächst eine Leistungsschau der schwarz-gelben Landesregierung seit dem Regierungswechsel 2005. Sie hat mit frühkindlicher Sprachförderung, Familienzentren, Ausbau von Ganztagsschulen und Förderprogrammen tatsächlich einiges an Verbesserungen vorzuweisen.
Wie traditionell das Ministerium unter Minister Laschet auch nach der rot-grünen Ära geblieben ist, offenbaren jedoch solche leeren Formeln wie „Integration findet vor Ort statt. In den Gemeinden, Städten und Stadtteilen entscheidet sich, ob das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Zuwanderung gelingt“. Es verwundert auch wenig, dass es sich eigentlich nicht um den „ersten“ Integrationsbericht in Nordrhein-Westfalen handelt, selbst wenn er offiziell so betitelt ist. Bereits SPD-geführte Vorgängerregierungen erstellten ab 1995 ähnliche Zustandsberichte.
Dort, wo es spannend wird, bleiben Hintergründe unbenannt. Die Erleuchtung dieser Dunkelzonen war wohl auch nicht Anliegen des Integrationsberichts – aber sie offenbaren eine analytische Schwäche. So wurden erstmals aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen nicht mehr nur Deutsche und Ausländer, sondern auch eingebürgerte Ausländer und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte unterschieden. In NRW besitzen demnach von rund 18 Millionen Einwohnern 4,1 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund, zumeist Türken. 638000 von ihnen ließen sich einbürgern. Die Zahl der im Ausland geborenen Einwohner beträgt fast 2,7 Millionen.
Zwar geht aus dem Bericht hervor, dass Zuwanderer im Schul- und Arbeitsleben nach wie vor große Probleme haben und das Armutsrisiko für sie erheblich höher ist. Doch immerhin konnte fast jeder vierte der rund 4,1 Millionen Zuwanderer die Schule mit der (Fach-)Hochschulreife abschließen. Unter den Eingebürgerten liegt der Wert sogar bei 30,3 Prozent, während dies nur auf 27 Prozent der urdeutschen Bevölkerung zutrifft. Bei den Erwerbstätigen erreichen Eingebürgerte mit 71,3 Prozent fast den Wert von Deutschen. Bei eingebürgerten und urdeutschen Männern ist mit 80 Prozent ein Gleichstand zu vermelden. Bei den Selbstständigen liegen die Eingebürgerten mit 10,7 Prozent leicht vor den Deutschen.
Warum dies aber so ist, warum Eingebürgerte offenbar leistungsbereiter und erfolgreicher sind als die Menschen mit ausländischem Pass und Deutsche, erklärt der Bericht nicht. Ob es tatsächlich an der Einbürgerung liegt, an einer höheren Motivation, im fremden Land Fuß zu fassen? Zählen zu den Erfolgreichen mit Zuwanderungsgeschichte auch solche, die hier geboren sind, sich als Deutsche fühlen und bei denen nur noch Großeltern an die Herkunft erinnern?
Ähnlich oberflächlich werden Integrationsprobleme abgehandelt. Minister Laschet benennt einige sachte, wie etwa den „Rückzug in abgeschlossene Lebenswelten“, „die zu hohe Zahl von Schulabbrechern und Arbeitslosen“, „zudem akzeptieren einige die Grundregeln unseres Zusammenlebens nicht“. Hinweise darauf, wie sich Ersteres und Letzteres verändert haben, gibt es nicht. Das sollte der Integrationsbericht wohl nicht leisten.