Was haben die Dresdner nicht alles auf die Beine gestellt, seit sie wissen, dass er kommt: Internetseiten wurden erstellt, ein Infomobil gestartet, öffentliche „Stars and Stripes“-Partys organisiert, Straßenbahnen und Busse beklebt: „Welcome Mr. President“.
Seit vor vier Wochen der erste Besuch eines amtierenden amerikanischen Präsidenten in Sachsen bekannt wurde, ist die Landeshauptstadt aus dem Häuschen. Es gibt Fähnchen zum Ausdrucken im Internet, der Koch eines Nobelhotels erklärt, was er kredenzen würde, und der Protokollchef der Staatskanzlei erklärt, dass man einem Staatsgast nie als Erster die Hand hinstreckt. „Die Stadt ist in hellem Aufruhr und voller Vorfreude“, sagt Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU). „Die Augen der ganzen Welt werden an diesem Tag auf unsere Stadt gerichtet sein.“
Doch in dieser Woche ist die Euphorie gesunken. Denn mittlerweile sickerte durch, dass es wohl kein Fahnenschwenken und keinen Riesenrummel vor der Semperoper geben wird. Barack Obama kommt nur zum Übernachten und für ein Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel nach Dresden.
Am späten Donnerstagabend wird er aus Kairo auf dem Flughafen erwartet. Von einem Zwischenstopp der Air Force One auf dem Leipziger Flughafen war gerüchtweise die Rede. Dort steigen täglich etwa 1000 US-amerikanische Soldaten auf dem Transfer nach Afghanistan oder in den Irak um. Die Nacht verbringt Obama im Kempinski-Hotel „Taschenbergpalais“, wo Dresdens Staatsgäste zu übernachten pflegen. Der Volksmund hat es jetzt in „Weißes Haus“ umgetauft.
Ein offizielles Programm, das noch nicht bestätigt ist, gibt es nur morgen Vormittag. Ein kurzer Gang von 500 Metern durch die Altstadt zur Frauenkirche und wieder zurück ins Grüne Gewölbe soll geplant und wieder gestrichen worden sein. Danach gäbe es nur ein Gespräch mit Merkel und abschließend ein kurzes Pressestatement. Später geht’s weiter zum Besuch der Gedenkstätte Buchenwald, wo Obama Überlebende des Konzentrationslagers und Thüringer Jugendliche treffen will.
Der junge Präsident wolle sich ein Bild machen von dem, was aus der DDR geworden ist, hatte ein Berater in Washington erzählt. Schließlich feiert die friedliche Revolution gerade 20-jähriges Jubiläum. Ein privater sächsischer Postdienstleister hat auf die Ankündigung prompt reagiert und eine Sondermarke aufgelegt. „Yes, we can auch english!“ steht da über der Dresdner Stadtsilhouette. Erfindergeist bewies auch Bäckermeister Walther, der jetzt „Erdnuss-Crannies“ und „Mr.-President-Muffins“ in den Ofen schiebt.
Doch Obama wird von all dem nicht viel sehen – und auch kaum gesehen werden. Die Sicherheitsstufe eins riegelt die Innenstadt wie ein Sperrgebiet ab. Vorm Zwinger gegenüber dem Hotel stehen Stahlzäune; Straßenbahnen und Autos werden umgeleitet, Museen und Märkte geschlossen. Stattdessen sind mehrere Tausend Polizisten und Sicherheitsleute zur Bewachung unterwegs und haben die Hotels im nahen Umkreis ausgebucht. Seit Tagen sind abgedunkelte Chevrolet-Vans und Männer mit dunklen Sonnenbrillen in der Altstadt zu beobachten. Lange Gesichter machen indes die Händler, denn Teile der City darf man nur noch mit Ausweis und Sondergenehmigung betreten. „Mein Eis kann ich wohl nur an Polizisten verkaufen“, stöhnt die Besitzerin eines italienischen Cafés.
Aber sie kennen das schon in Dresden. Die Liste der internationalen Staatsgäste reicht von Fidel Castro 1972 über Queen Elizabeth II. 1992 und Ex-UN-General Kofi Annan 1999 bis zu Russlands Premier Wladimir Putin 2009. Die Beziehungen zwischen Sachsen und den USA gelten als besonders gut. „Die Vereinigten Staaten sind der größte und wichtigste Außenhandelspartner des Freistaates“, schwärmt Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Es gebe 149 Partnerschaften zwischen sächsischen und amerikanischen Hochschulen und Universitäten, US-Amerikaner seien unter den ausländischen Gästen die Nummer eins.
Doch selbst für Tillich wird es wohl nur zu einem Shakehands und einem Foto mit Obama reichen – das ist immerhin eine Trophäe im sächsischen Landtagswahlkampf.
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