Rechtsextreme

Berlin lässt NPD im Sitzungssaal schwitzen

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Philipp Neumann

Die Heizung lief auf vollen Touren, die Lüftung war abgestellt: Willkommen kann sich die NPD im Berliner Rathaus Reinickendorf nicht gefühlt haben. Trotzdem musste die Parteibasis tagen, um über ihren Chef Udo Voigt abzustimmen. Der wurde trotz des finanziellen Ruins der Partei wiedergewählt.

Ernst Reuter bekommt von all dem nichts mehr mit. Irgendjemand hat seine Büste im Foyer mit einer Wolldecke verhüllt. Es hätte dem ehemaligen Bürgermeister von Berlin auch nicht gefallen, wenn er den Parteitag der rechtsextremen NPD miterlebt hätte, der im Rathaus des Bezirks Reinickendorf stattfand.

Als Oberbürgermeister von Magdeburg hatten ihn die Nationalsozialisten 1933 aus dem Amt gejagt. Zweimal saß Reuter im Konzentrationslager. Jetzt tagt die NPD ausgerechnet im Ernst-Reuter-Saal in Reinickendorf. „Reuter war der einzige große Bürgermeister der Nachkriegszeit“, sagt ein Vertreter des NPD-Verbands Berlin-Nord. Es sollte nicht die einzige Absurdität dieser Veranstaltung bleiben.

Ein Gericht hatte den Bezirk Reinickendorf dazu verpflichtet, der NPD den Saal zur Verfügung zu stellen. Alle Parteien müssten gleich behandelt werden, lautete die Begründung. Wochenlang hatte die NPD nach einem Raum gesucht, in dem sie ihren außerordentlichen Bundesparteitag abhalten konnte. Er war nötig, weil Parteichef Udo Voigt abgewählt werden sollte. Auch galt es, die Finanzlage der Partei zu beraten. Weil die NPD falsche Angaben über das Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung gemacht hat, droht ihr eine Millionenstrafe – und womöglich der finanzielle Ruin. Am Ende des Parteitags kann Voigt zwar seinen Kopf retten. Die Partei steckt aber noch immer in Geldnöten.

Das Rathaus in Reinickendorf gleicht am Wochenende einer Festung. Die Polizei hat die Straße davor gesperrt. Die NPD-Mitglieder müssen an 500 Gegendemonstranten vorbei, um das Gebäude zu betreten. Die Bezirksverwaltung muss die NPD zwar hineinlassen, sie macht ihr den Aufenthalt aber nicht angenehm. Die Heizung lief in der Nacht auf vollen Touren, die Lüftung ist abgestellt. Weil die Fenster nicht geöffnet werden dürfen, ist es stickig. Das Thermometer im Saal steht bei 28 Grad. Klebestreifen auf dem Fußboden zeigen den NPD-Mitgliedern, wo sie gehen und stehen dürfen. Der Rest des Gebäudes ist abgesperrt, Infostände sind verboten. Verpflegung gibt es nicht. „Das Fahrzeug mit den Würsten darf nicht hindurch“, klagt NPD-Chef Udo Voigt in seiner Begrüßungsrede. Er nennt das Verhalten des Bezirks undemokratisch und droht: „Im Moment haben wir nicht die Macht.“ Man werde sich aber wieder sehen.

Dem gängigen Klischee von Neonazis – kahler Kopf und Kampfstiefel – entspricht kaum einer der Parteitagsdelegierten. Die vielen jungen NPD-Mitglieder tragen Zimmermannshosen aus schwarzem Cord, Wanderschuhe und karierte Hemden; ihre Haare sind ordentlich frisiert. Frauen gibt es auffallend wenige. „Ordner“ in weißen Hemden halten die Journalisten in Schach. Die „Systempresse“, wie die NPD Journalisten nennt, darf nur die ersten Minuten des Parteitags mitverfolgen, dann muss sie den Saal verlassen. Ein Vertreter der NPD Mecklenburg-Vorpommern begründet das damit, dass Journalisten „ein Haufen Geschmeiß“ seien. Die Beratungen der Partei über ihre Finanzen und ihr Personal gingen die Öffentlichkeit nichts an. „Die Presse lügt“, rufen die Delegierten im Saal im Sprechchor.

Dass die Öffentlichkeit dennoch ein Interesse an den Beratungen der NPD hat, liegt nicht zuletzt daran, dass die Partei im Jahr 2007 immerhin 1,4 Millionen Euro Steuergeld aus der staatlichen Parteienfinanzierung bekommen hat. Diese Summe hat sie aber in ihrem Rechenschaftsbericht nicht korrekt angegeben. Nun fordert die Bundestagsverwaltung bis Mai 2,5 Millionen Euro Strafe und hat weitere Zahlungen an die NPD auf Eis gelegt.

Die Partei steht damit vermutlich vor dem Ruin. Dazu beigetragen hat auch ihr bisheriger Schatzmeister Erwin Kemna, der 700.000 Euro aus der Parteikasse abgezweigt hat. Er wurde inzwischen wegen Untreue zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Unter anderem deshalb ist der Vorsitzende Voigt, in der Partei umstritten. Der Chef der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, will ihn beerben.

Vor Beginn des Parteitags spricht Voigt vor dem Saal mit Journalisten. Hinter der Millionenstrafe stecke „höchste politische Einflussnahme“, sagt er. Die NPD solle „finanziell ausgetrocknet“ werden, um das gescheiterte Parteiverbot „auf kaltem Weg“ durchzusetzen. Das sei aber rechtswidrig. Voigt betont, dass die NPD sich zur Gewaltlosigkeit bekenne: „Jeder Baseballschläger, der gegen einen Ausländer erhoben wird, ist ein Schlag gegen Deutschland“, sagt er. Bei seiner Rede im Saal spricht der NPD-Chef dann von der „längst überfälligen Ausländerrückführung“. Er kritisiert „fressende Finanzhaie“ und „Systempolitiker, die unser Vaterland ständig verraten“. Seine geplante Abwahl sei eine „Intrigenkampagne“ von Parteifreunden. Es geht um Geheimtreffen und um ominöse schwedische Millionäre.

Sieben Stunden, nachdem die Presse vom Parteitag ausgeschlossen worden ist, meldet die NPD auf ihrer Internetseite, dass Voigt die Kampfabstimmung gegen Pastörs gewonnen hat.