Am Sonnabend startet der Open Mike. Terézia Mora hat den Preis einst geholt, nun ist sie Jurorin

Am Sonnabend startet der Open-Mike-Wettbewerb, zwanzig Autoren unter 35 Jahren werden dann im Heimathafen Neukölln ihre Texte vorlesen. Am Sonntag werden die Sieger gekürt. Die Auszeichnung hat sich seit seinem Bestehen 1993 als eine ziemlich zuverlässige Startrampe für Schriftsteller etabliert. Karen Duve, Tilman Rammstedt, Lucy Fricke, Jochen Schmidt, Julia Franck gehörten zu den Preisträgern. 1997 holte sich Terézia Mora den Preis, sie bekam einen Autorenvertrag bei Rowohlt, drei Romane und ein Erzählband hat sie seitdem veröffentlicht. Für ihr letztes Werk „Das Ungeheuer“ erhielt sie 2013 den Deutschen Buchpreis.

Berliner Morgenpost: Frau Mora, Sie waren 1997 beim Open Mike dabei. Waren Sie damals angespannt?

Terézia Mora: Überhaupt nicht. Ich wusste ja von nichts. Ich hatte den ersten Prosatext meines Lebens geschrieben und dann eingeschickt. Wer den beurteilen wird, wusste ich auch nicht.

Gut. Aber warum haben Sie den Text eingeschickt?

Das einzige, was ich wusste und im Fokus hatte, war das man 3000 Mark gewinnen konnte. Ich war Studentin an der Film- und Fernsehhochschule und hatte keine Gelegenheit Geld zu verdienen.

Hatten Sie eventuell irgendwelche literarische Ambitionen?

Indirekt. Ich war Drehbuch-Studentin und bekam jeden Tag an den Kopf geworfen, dass ich das, was ich da mache Literatur sei und nicht Drehbuchschreiberei. Das wollte ich überprüfen.

Warum sind Sie nicht gleich Schriftstellerin geworden?

Das wollte ich als Kind. Aber dann habe ich es mir nicht zugetraut und gedacht, dass Drehbuchschreiben einfacher sei. Das war natürlich falsch.

Dann haben Sie vorgelesen und gewonnen.

Genau. Das hat mich dann auch nicht überrascht. Ich bin ja dahingegangen, um zu gewinnen.

Sind Sie immer so eiskalter Typ?

Ich werde immer nervöser mit den Jahren. Wenig später war ich dann beim Bachmann-Preis, da war ich auch noch ruhig. Das würde ich heute im Leben nicht mehr tun. Wenn man jung ist, hat man nichts zu verlieren und ist es unvorstellbar, nicht zu gewinnen.

Was hat es bewirkt, dass Sie den Open Mike gewonnen haben?

Der Open Mike war für mich lebensverändernd. Das war damals noch die Zeit, in der man mit einer einzigen Erzählung gleich einen Verlagsvertrag bekam. Der Lektor von Rowohlt fragte mich, ob ich nicht ein Erzählband machen möchte. Damit gab er diesen Startschuss: Ab jetzt darfst du Schriftsteller sein, und dann wird alles gut. Und es wurde alles gut.

Wie wichtig ist, wie der Text vorgetragen wird?

Ich dachte, es sei wichtiger. Aber man kann einen guten Text nicht zu Tode ruinieren und einen mittelmäßigen nicht durch Vorlesen entscheidend tunen.

Das bezweifele ich nach den Lesungen, die ich zuletzt besucht habe.

Das wundert mich. Ich habe den Eindruck, es wird heutzutage besser gelesen als noch vor zehn Jahren. Selbst damals hoffnungslos erscheinende Fälle sind mittlerweile zum Schauspielunterricht gegangen und haben es sich beibringen lassen.

Vor kurzem hat ein Schauspieler Richard Ford in der Schaubühne vorgelesen. Das war so entsetzlich, dass ich kurz davor war zu schreien.

Ja, so etwas gibt es auch. Vorlesen ist eben nicht gleich schauspielern. Ich habe in der Theater AG etwas sehr eingängiges gelernt: Lies einfach das vor, was da steht.

Das hilft auf jeden Fall. Hat sich neben dem Vorlesen auch das Schreiben professionalisiert?

Auf jeden Fall hat es sich in den vergangenen zehn Jahren verändert, schon allein durch das Aufkommen der neuen Medien. Ich steige darauf so wenig ein wie nur möglich. Das ist ein Fehler von mir, das weiß ich. Meine Generation, und die jüngere Generation sowieso, weiß, dass sie gehört und gesehen wird und dass sie einen Auftritt braucht.

Tun Schreibschulen wie die in Leipzig oder auch in Hildesheim der deutschen Literatur gut?

Ich glaube ja. Ich kenne Leipzig, und ich finde die Studenten dort gut. Es stimmt nicht, dass dort die Autoren alle gleich gemacht werden. Die haben ja dort nur drei Professoren, der Rest besteht aus externen Dozenten. Dadurch wird jedes Semester etwas anderes erzählt.

Können Sie die Abneigung gegenüber Literaturinstitute erklären?

In Deutschland hat man die Vorstellung, dass man nicht lernen könne, Künstler zu sein. Es gibt ja diesen Geniekult – der einsame Dichter in der kalten Dachkammer. In Wahrheit gibt es natürlich Techniken, die einen weiterbringen können. Schreiben ist auch ein Handwerksberuf.

Ein gern gemachter Vorwurf ist, dass die deutscher Literatur zu lebensfern ist.

Dann würde ich gern wissen, was die Realität denn ist. Das einzige, was an Leipzig zu überdenken ist, ist dass die Studenten dort sehr jung sind. Mit 24 kann man eigentlich noch kein Schriftsteller sein.

Die „Zeit“ vermisste beim Open Mike im vergangenen Jahr die schreibenden Installateure, Hebammen, Metzger und Fernfahrer.

Tatsächlich? Die Forderung nach dem schreibenden Arbeiter? Das ist noch ein Stück absurder, als zu fordern, man möge auf Zwang über Metzger, Fernfahrer usw. schreiben. Und täte man es – und selbst, wenn es der Metzger selbst täte –, wäre leicht der nächste Vorwurf parat: das sei ja alles Sozialporno. Als ich über einen Roman über einen IT-Manager geschrieben habe, haben sowohl Kritiker wie auch Publikum gefragt: Wer soll sich denn für einen IT-Manager interessieren?

Wie man es macht.

Die Lehre daraus ist: Mach Dein Ding und hoffe „auf die Gnade von Fremden“.

Open Mike: Sonnabend, den 7.11. ab 14:00 und Sonntag 8.11. ab 11:00 im Heimathafen Neukölln, Karl-Marx-Straße 141, Eintritt frei