Seit rund 20 Jahren gibt es für den Alexanderplatz einen Hochhaus-Masterplan. Mangels Investoreninteresse ist am wichtigsten Verkehrsknoten in der östlichen City bislang jedoch noch kein einziger der vorgesehenen 150-Meter-Türme errichtet worden. Um so überraschender ist daher das Ergebnis einer Studie, die das auf Immobilien spezialisierte Beratungsunternehmen Bulwiengesa am Mittwoch in Berlin vorgestellt hat. „Berlin braucht nicht nur preiswerte Wohnungen, sondern genauso dringend auch hochwertige Büroarbeitsplätze“, so Andreas Schulten, Vorstandsmitglied des Analyseunternehmens. Und da hochwertig in erster Linie modernste Ausstattung und Top-Zentralität bedeute, sei die Zeit reif für den Bau von Bürohochhäusern.
Über das gesamte Innenstadtgebiet verteilt sind derzeit elf Bürohochhäuser konkret in Planung beziehungsweise bereits im Bau, heißt es in der „Potenzialanalyse Bürohochhäuser 2015“. Zu den gelisteten Projekten zählen auch die beiden geplanten 150-Meter-Türme russischer und amerikanischer Unternehmen am Alexanderplatz – obwohl diese ebenso wenig wie das bereits im Bau befindliche Upper West am Breitscheidplatz in der City West reine Bürohochhäuser sind. „Aber es entstehen eben auch Büroflächen, im Upper West etwa 19.600 Quadratmeter“, begründet Schulten. Reine Büro-Türme sind dagegen in der Europacity am Hauptbahnhof (100, 84 und 67,5 Meter hoch) geplant. Weitere Projekte finden sich zudem an der Spree in Friedrichshain.
In der Stadt arbeiten immer mehr Menschen im Büro
„Berlin hat in den vergangenen zehn Jahren ein beachtliches Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum zu verzeichnen“, sagt Schulten. Die Studie, die von Unternehmen wie der TLG, Bima oder CA Immo in Auftrag gegeben wurde, untersucht, ob der Bau der vergleichsweise teuren Hochhäuser, dazu zählen die Macher der Studie Gebäude ab einer Höhe von 60 Metern, in Berlin rentabel ist. Anders als vor 20 Jahren sei dies inzwischen der Fall, so die Analysten.
So hat die Zahl der Beschäftigten in Berlin seit 2005 um 28 Prozent zugelegt. Allein bei den Bürobeschäftigten habe sich im Zehn-Jahres-Zeitraum ein Zuwachs von 126.000 ergeben. Der Büroflächenleerstand sei im gleichen Zeitraum kontinuierlich zurückgegangen, er liege jetzt bei lediglich vier Prozent. Da kaum neue Bürogebäude entstehen, sei schon bald mit einem Nachfrageüberhang zu rechnen. Zudem würden auch die Mieten steigen. Das Spitzenniveau bei den Mieten gehe inzwischen deutlich über die 23 Euro je Quadratmeter hinaus, im geplanten Hochhaus Upper West beispielsweise würden 26 bis 27 Euro aufgerufen. „Ab 20 Euro kommen wir in den Bereich, der für Hochhausinvestoren interessant ist“, so Schulten. Und aus den vielen kleinen Start-ups, auf die in Berlin mittlerweile 17 Prozent des Büroflächenumsatzes entfällt, würden irgendwann auch Unternehmen, die es sich leisten können, sagt er und nennt als Beispiel Rocket Internet, die kürzlich in das GSW-Hochhaus an der Rudi-Dutschke-Straße in Kreuzberg gezogen sind.
Politik und Verwaltung haben Vorbehalte
„Die von uns präsentierten Pläne für ein mehr als 209 Meter hohen Turm auf dem Hardenbergplatz sind bei vielen Projektentwicklern auf lebhaftes Interesse gestoßen“, bestätigt Gottfried Kupsch. Während Geschäftsleute und Anrainer begeistert reagierten, stößt das Projekt in Stadtplanungsamt des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf jedoch bislang nicht auf Gegenliebe. „Eigentlich unverständlich, denn wer eine Stadt möchte, die nicht in die Breite geht, und andererseits die Grünflächen in der Innenstadt erhalten will, muss in die Höhe bauen“, wirbt der Architekt Christoph Langhof, der den Hardenberg-Turm konzipierte, für sein Projekt.
„Die Studie belegt, dass bei dem Thema Verdichtung auch in der City West über Hochhausprojekte nachgedacht werden muss – potenzielle Standorte sind aktiv auf Baureife zu prüfen“, sieht auch Melanie Bähr, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, Handlungsbedarf. Wie die langjährigen Diskussionen um den Hardenbergplatz, den Bereich zwischen Bahnhof Zoo und Fasanenstraße und auch den Ernst-Reuter-Platz zeigten, sei es wichtig, dass Politik und Verwaltung ein abgestimmtes Entwicklungskonzept erarbeiten. Gemeinsam mit den Bezirksvertretern. „Nur so können Investitionen in die City West gesichert werden“, sagt die IHK-Vizechefin.