Nach der peinlichen Pannenserie hagelt es Hohn und Spott für die Firma WeTab. Viel Zeit zum Aufräumen bleibt dem iPad-Konkurrenten nicht.
Tore Meyer heißt der Mann, und er ist nicht zu beneiden. Meyer muss den Scherbenhaufen verwalten, den ihm Helmut Hoffer von Ankershoffen hinterlassen hat. Ankershoffen, Gründer der Berliner Softwarefirma Neofonie, hat einen ernsthaften deutschen Konkurrenten für Apples Tablet-Computer iPad versprochen. Auffällig wurde er jedoch mit vollmundigen Ankündigungen und einem Gerät namens , das nicht richtig funktioniert. Zu guter Letzt verfasste er ein Eigenlob auf den Seiten des Onlinehändlers Amazon unter falschem Namen. Jetzt hat Ankershoffen alle seine Posten hingeworfen. Zurückgeblieben ist Tore Meyer, studierter Betriebswirt, Jahrgang 1976 und jetzt Geschäftsführer der WeTab GmbH. Er ist zwar kein Insolvenz-, dafür aber Chaosverwalter.
Meyer geht es nun vor allem um eines: Nicht den Ankershoffen machen, also vor allem keine voreiligen Versprechen. „Wir wollen wieder das Produkt in den Vordergrund rücken und die Wahrnehmung verbessern“, sagt Meyer. Er spricht von einem Zeitfenster, das nun verbleibt und das man nutzen wolle. „Es geht für uns darum, das WeTab zu etablieren, bevor die Großen kommen und ebenfalls gegen das iPad antreten.“ Die Großen heißen Microsoft, Samsung oder Google. In dieser Liga spielt das WeTab nun mit.
Im Frühjahr diesen Jahres überraschte der Berliner Unternehmer Ankershoffen die Öffentlichkeit mit seinem Plan, einen deutschen iPad-Konkurrenten zu etablieren. Das klang schon damals nach aberwitzigem David-Gegen-Goliath-Experiment. Ankerhoffens Neofonie und Tore Meyers Münchner Softwarefirma 4tiitoo bildeten eine Allianz der Zwerge gegen Apple. Sie traten in Konkurrenz zu einem Milliardenkonzern mit Heerscharen von Entwicklern und kultisch verehrter Marke. Damit haben sich die Zwerge gründlich übernommen.
„Wir haben es ganz sicher unterschätzt und kaum ein Fettnäpfchen ausgelassen“, gibt Meyer zu. Erscheinungstermine wurden verschoben, Testläufe offenbarten Mängel. Es sei falsch gewesen, mit dem Gerät, so wie es war, in den Markt zu gehen, sagt Meyer. Der mobile Tast-Computer hat jede Menge Kinderkrankheiten. So funktioniert das Multitouch – das Vergrößern und Verkleinern durch Fingerbewegungen – nicht richtig. „Daran sind die Leute durch Apple-Produkte wie das iPhone und iPad gewöhnt. Das wird einfach erwartet“, räumt Meyer ein. Das habe man unterschätzt. In den nächsten Tagen soll es eine großangelegte Aktualisierung der WeTab-Software geben. „Wir bemühen uns, das in den Griff zu bekommen.“
WeTab wird mit Spott überzogen
In Internetforen und Fachpresse wird das WeTab dieser Tage mit Spott überzogen. Witzbolde verpassten ihm den Namen WeDepp. Die „Computerbild“ bescheinigte in ihrer aktuellen Ausgabe „zahlreiche Schwächen“. Die Gesamtnote lautet „befriedigend“ und das Fazit: „Mit dem iPad kann das WeTab trotz guter Ansätze nicht mithalten.“ Es sei unausgereift und der Preis mit 569 Euro zu hoch. Im Vergleich zur Häme, die viele andere Techniktester ausschütten, ist das fast schon ein leises Lob.
Dabei bestreitet kaum jemand, dass der Ansatz vielversprechend ist. Anders als das iPad gibt sich die Berliner Internet-Box offen. Das WeTab verfügt über Schnittstellen wie USB. Flash, ein populärer Standard für Online-Videos, wird unterstützt. Die Anwendungen, sogenannte Apps, unterliegen nicht rigiden Restriktionen wie bei Apple. Damit wollte das WeTab vor allem für Verlage attraktiv werden. Diese können, so pries es Ankershoffen, zu ihren Bedingungen Inhalte platzieren.
Denn Apple gebietet über ein geschlossenes System, in das nur eingelassen wird, wer sich den Apple-Regeln beugt. Inhalte – Filme, Spiele oder Ausgaben von Zeitungen und Magazinen – kann man nur über „iTunes“ beziehen. Die Nutzung dieses Marktplatzes lässt sich Apple hoch vergüten. Das WeTab hingegen will eine offene Plattform sein. Das soll vor allem die Verleger von Zeitungen und Zeitschriften überzeugen, die ein Geschäftsmodell für das Internet suchen. Ankershoffen warb damit, den Verlag Gruner& ahr („Stern“, „Geo“) mit im Boot zu haben.
WeTab verkauft sich trotzdem gut
Doch angesichts der Pannen geht Gruner & Jahr auf Distanz. „Es gab zu keinem Zeitpunkt eine Kooperation zwischen dem WeTab und Gruner&Jahr“, sagt ein Verlagssprecher. Neofonie sollte für das Magazin „Stern“ eine Software entwickeln, mit der man Print-Inhalte ohne großen Aufwand auf verschiedenste Tablet-Computer übertragen kann. „Dieses Projekt ist jetzt zurückgestellt.“ Erstaunlich ist jedoch: Schlechtem Image und Spott zum Trotz scheint sich das WeTab recht gut zu verkaufen. Im Online-Kaufhaus Amazon konkurriert es in der teuersten Version um den ersten Platz der Kategorie Tablet-PC – mit dem iPad von Apple und Samsungs Galaxy Tab. Allerdings berichten auf Facebook zahlreiche Nutzer davon, dass sie das WeTab entnervt wieder zurückgeschickt hätten.
Ex-WeTab-Chef Ankershoffen offenbarte im Frühjahr einen Beweggrund, warum er sich in dieses waghalsige Unterfangen gestürzt hat. Ankershoffen entwickelte 1997 zusammen mit Mitstreitern Fireball, eine Suchmaschine für das Internet. In den Anfangstagen des Netzes war das die meistgenutzte deutsche Internetseite. Ankershoffen wollte die Technologie weiterentwickeln. Doch der Partner, das Internetunternehmen Lycos, versagte die nötigen Mittel. Schon bald danach begann die Ära der Suchmaschine Google. Ankershoffen gründete Neofonie, ein erfolgreicher Softwareanbieter zwar, aber ein Unternehmen für Spezialanwendungen. Mit dem WeTab wollte er die große Bühne entern. Der Auftritt ist ihm gründlich misslungen. Tore Meyer muss nun den Auftritt neu in Szene setzen.