Berlin. Wer ein Auto hat, hat es geschafft – in Berlin gilt das nicht mehr. Die „Generation Mitte“, die etwas auf sich hält, fährt Rennrad. Die können gern mehr kosten als ein Gebrauchtwagen – das Fahrrad ist Wohlstandssymbol und Lifestyle-Produkt.
Diese Großstadt-Elite, sie will sich nun die Straße von den Autofahrern zurückerobern: „Reclaim the streets“ ist das Motto. Als seien Fahrradfahrer Berliner Ureinwohner, die einst von Blechlawinen aus dem öffentlichen Raum gedrängt worden. Die Aktivisten agieren mit einem Selbstverständnis, als gehöre ihnen der öffentliche Raum. Stellten in Schöneberg kürzlich Poller auf, die den Radweg „schützen“ sollten.
Radfahren ist kein Wert an sich
Der rot-rot-grüne Senat, ganz auf der Seite der Aktivisten, belohnte diese mit dem fahrradfreundlichen Mobilitätsgesetz. Tatsächlich ist Berlin ein Albtraum für Fahrradfahrer. Die Stadt belegt in Rankings zur Fahrradfreundlichkeit beständig letzte Plätze. Dass nun Radwege gebaut werden sollen, ist gut. Fahrradfahren ist ja nichts Schlechtes – aber ein Wert an sich? Hört man sich in Berlins hipper Mitte um, dann scheint man dort so zu denken.
Diese Politik kurbelt nicht nur die Umsätze edler Fahrradmanufakturen an, sondern zieht auch Geschäftemacher an: Acht Unternehmen bieten einen Leihradservice in Berlin an – ein weiteres soll hinzukommen. Wie viele Räder in der Stadt verteilt stehen, weiß im Senat niemand. Dass einer der Anbieter finanzielle Probleme hat, ebenso wenig. Was mit dessen herumstehenden Fahrädern passieren soll? Auch unklar.
Gut, dass einige einen kühlen Kopf behalten
Im Fall einer Pleite wären laut Senat die Bezirke verantwortlich, die Fahrradleichen zu entsorgen. Eine gut geplante Verkehrswende sieht anders aus. Stattdessen prügeln sich die Fahrradaktivisten verbal mit denen, die für Augenmaß plädieren. Und werden wiederum als „Autohasser“ gebrandmarkt.
Dass die Bezirke mittlerweile aufbegehren gegen die Flut der Leihräder, kommt zur rechten Zeit. Zumindest die Berliner Bezirksbürgermeister behalten einen kühlen Kopf.