Das politische Berlin erwacht so langsam aus der Weihnachtspause. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) will am Mittwoch mit seinem Senat die Politik der nächsten Monate besprechen.
Die Integration der Flüchtlinge in Berlin gehört weiterhin zu den Hauptaufgaben. Nicht nur für die nächsten Monate – bis im September ein neues Abgeordnetenhaus gewählt wird, sondern noch weit darüber hinaus.
Müller selbst spricht von einer „Jahrzehntaufgabe“. Aber schon in den ersten Monaten dieses Jahres wird es eine neue große Herausforderung geben.
Ansturm auf den Arbeitsmarkt
Die Bundesagentur für Arbeit rechnet mit einem wahren Ansturm an Arbeitssuchenden in den nächsten Monaten. Mit Zahlen tun sich alle Behörden im Moment schwer, da sich der Andrang zwar abgeschwächt hat, aber nicht gestoppt ist.
Bei einer Rundfahrt Ende letzten Jahres, bei der Integrationsprojekte in Berlin vorgestellt wurden, fiel die Zahl von 20.000 bis 25.000 Flüchtlinge, die in diesem Jahr mit einem Bleiberecht ausgestattet auf Jobsuche gehen könnten. Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD), die an der Fahrt teilnahem, geht davon aus, dass der wachsende Berliner Arbeitsmarkt grundsätzlich noch „aufnahmefähig“ ist. Kolat verpackte dann auch die Aufgabe, den Flüchtlingen reguläre Arbeit zu verschaffen, in eine einfache politische Botschaft: „Ich will, dass Flüchtlinge Steuerzahler in Berlin werden.“
Die Wirklichkeit zeigt aber: Der Weg ist lang vom Hilfeempfänger aus Syrien oder Eritrea untergebracht in einer Notunterkunft wie einer Turnhalle hin zum arbeitenden, Sozialabgaben zahlenden, in einer eigenen Wohnung lebenden Berliner.
Vorzeigeprojekt Arrivo
Es gibt in Berlin Vorzeigeprojekte. Da ist zum Beispiel Arrivo. In Kreuzberg können Flüchtlinge einen Handwerker-Parcours durchlaufen, um ihre Neigungen und Talente festzustellen. Da werden unter Anleitung Holzkisten gezimmert oder Flächen gestrichen. Die Handwerkskammer unterstützt Arrivo offensiv, suchen doch viele Betriebe Nachwuchs.
Allerdings ist es eben ein Unterschied, ob jemand in Afrika in eine Autowerkstatt angelernt wurde oder ob jemand eine Mechatronikerausbildung in Deutschland durchlaufen hat. Berlins Unternehmen bemühen sich aber, hier Chancen zu eröffnen.
So bieten die Berliner Wasserbetriebe sechs Flüchtlingen über ein Praktikum die Möglichkeit, anschließend eine technische Ausbildung zu beginnen. Dabei werden sie eigens sprachlich und psychosozial betreut. Am Ende sollen die Flüchtlinge ab September ihre Ausbildung, neben den „ganz normalen“ Auszubildenden durchlaufen.Die sechs Stellen wurden zusätzlich zu den 80 Plätzen geschaffen, die es ohnehin gibt.
Wenig Geld in der Ausbildung
Aber das in vielen Gegenden der Welt hoch gelobte duale Ausbildungssystem in Deutschland ist komplex und für viele neu nach Berlin kommenden Menschen schwer verständlich. So berichten Experten von der Industrie- und Handelskammer (IHK), dass viele gerade junge Frauen und Männer nur ein geringes Interesse daran haben, über Jahre durch eine Ausbildung zu laufen.
Eine wesentliche Rolle spielt dabei, dass ein Auszubildender relativ wenig Geld verdient. Häufig wollen aber die nach Deutschland geflüchteten Menschen schnell mehr Geld verdienen, um ihre Familien nachzuholen oder sich einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen. Vertreter von Handwerkskammer, Arbeitsagenturen und IHK warnen aber davor, dass der Weg des schnellen Geldes dazu führt, dass es über Jahre keinen beruflichen Aufstieg gibt.
Ohne Ausbildung bleibt es bei Hilfstätigkeiten. Nun gibt es die Idee, die Sprachkursen, die die Flüchtlinge am Anfang ihres Aufenthalts in Deutschland durchlaufen, zu nutzen. Schon dort sollen die Menschen auf die Vorzüge des dualen Ausbildungssystems aufmerksam gemacht werden. Ein sinnvoller Ansatz. Die Flüchtlinge müssen verstehen, wie der Arbeitsmarkt in Deutschland funktioniert.