Kommentar

Rot-Schwarz zeigt sich großzügig beim Geldausgeben

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Joachim Fahrun

Gratis-Kitas, Millionen für die Sicherheit und mehr: Berliner SPD und CDU erfüllen ein Jahr vor der Wahl alle Wünsche, meint Joachim Fahrun.

Wie vergleichsweise einfach ist doch Politik, wenn sie Geld verteilen kann, ohne irgendjemandem etwas wegzunehmen. Sich zu streiten, was man mit den zusätzlichen Einnahmen anfangen will, ist viel weniger emotionsgeladen und politisch riskant als Streichen, Kürzen, Sparen.

Insofern können die Fraktionschefs von SPD und CDU, Raed Saleh und Florian Graf, froh sein, im Hier und Jetzt Verantwortung zu tragen und nicht vor zehn Jahren. Sie haben noch einmal die Pulle angesetzt und einen kräftigen Schluck genommen. 230 Millionen Euro wollen sie zusätzlich für die Stadt ausgeben. Und der Senat hatte ja zuvor in seinem Entwurf für den Doppelhaushalt auch nicht gespart. Die Ausgaben klettern insgesamt um mehr als fünf Prozent. Allein Bildung und Wissenschaft wird sich die Stadt erstmals mehr als fünf Milliarden Euro kosten lassen. Wenn die Opposition von einem Wahlkampfhaushalt spricht, dann ist da etwas dran. Wiederholen lassen sich solche Jahre natürlich nicht.

Grundsätzlich ist nichts dagegen zu sagen, wenn Berlin marode Gebäude in Ordnung bringt, wenn der Senat für die wachsende Stadt plant, unterbesetzte Behörden wie die Bürgerämter mit mehr Personal ausstattet und in die Zukunft der jungen Menschen investiert. Natürlich hat es eine gewisse Logik, wenn Kitas und Krippen auch für die Jüngsten die Familien nichts kosten, ebenso wie die Universität. Warum die Eltern für Zweijährige zahlen sollen und für Vierjährige nicht, erschließt sich nicht wirklich. Und gleichzeitig ist es natürlich richtig, die Gruppengrößen in den Krippen an deutsche Standards anzupassen, damit eine Erzieherin nur noch fünf und nicht mehr sechs Kleinkinder versorgen muss. Was also tun?

SPD-Fraktionschef Saleh hat diesen Zielkonflikt auf seine Weise gelöst: Es geht eben beides, wir entlasten die Familien und engagieren neue Pädagogen. Wir haben es ja.

Und so bekam im Koalitionspoker jeder das, was er wollte. Dass über das Millionen-Euro-teure Sicherheitspaket der CDU in diesen Zeiten niemand streiten mochte, liegt auf der Hand. Aber noch hat es keine Debatte darüber gegeben, was denn eine 75-köpfige „Taskforce zur Bewältigung besonderer Sicherheitslagen“ tun und welche Lücke sie in Berlins Sicherheitsarchitektur schließen soll. Bekannt ist nur, dass diese neue Struktur zehn Millionen Euro in zwei Jahren kosten soll.

So bleibt ein schaler Beigeschmack bei der großen Paketlösung der großen Koalition. Berlins Politiker drohen schon wieder den Kompass zu verlieren beim Geldausgeben. Dabei sind die Zeiten unsicher. Niemand kann sagen, wie viel Geld die Unterbringung und Integration einer weiter wachsenden Zahl von Flüchtlingen noch kosten wird. Jeder ahnt, dass die für die öffentlichen Haushalte so segensreiche Niedrigzinsphase irgendwann zu Ende geht.

Kostenfreie Kitas, zahlreiche neue Beamte, mehr Lehrer, neue Schulen, Straßen, subventionierte Wohnungen und so weiter: Das geht, solange die Konjunktur weiter brummt, die Einnahmen sprudeln und die anderen Bundesländer und die Bundesregierung diese Stadt weiter so großzügig wie bisher unterstützen. Denn noch immer kommen Milliarden Euro, die in Berlin ausgegeben werden, nicht aus eigenen Einnahmequellen. Berlins Wirtschaft ist nach wie vor vergleichsweise schwach entwickelt. Deswegen ist der wohl wichtigste Zukunftsbeschluss der Koalition das klare Bekenntnis zum Aufbau eines Technologieparks auf dem Gelände des Flughafens Tegel.

SPD und CDU haben noch einmal gemeinsam Handlungsfähigkeit demonstriert. Das konnte man nach dem Streit der letzten Tage über die Flüchtlingspolitik nicht unbedingt erwarten. Aber Geld heilt viele Wunden und überdeckt auch Risse in einem Regierungsbündnis, das nicht mehr die Kraft hat, etwas anderes zu tun, als das Geld der Steuerzahler großzügig auszugeben.