Leitartikel

Pegida - Mit voller Härte gegen Hetzer

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Der Staat muss Pegida genau beobachten. Und darf beim Kampf gegen Rechtsradikale nicht zu vorsichtig agieren, sagt Christian Unger.

Ein Lied der Punk-Gruppe „Die Ärzte“ hat gerade Hochkonjunktur bei den deutschen Radiosendern. Eigentlich ist es schon viele Jahre alt, Anfang der 90er-Jahre aufgenommen, aber es sagt so viel aus über die Hetze gegen Fremde und Flüchtlinge, die das Land derzeit durch einige Menschen erlebt. „Hass ist deine Attitüde, ständig kocht dein Blut“, singen die Musiker. Und: „Du musst deinen Selbsthass nicht auf andre projizieren, damit keiner merkt, was für ein lieber Kerl du bist.“

Wer die Menschen auf den Pegida-Demonstrationen erlebt, muss oft an dieses Lied denken. Ihr Blut kocht. Plakate wettern gegen Politiker, gegen Asylbewerber, gegen Muslime, gegen Medien. Pegida ist eine Dagegen-Bewegung. Die Menschen feiern sich in Selbstherrlichkeit, sie sehen sich als letzte Bastion im Kampf gegen den Niedergang eines „deutschen Volkes“.

Ihre Wut schlägt in Hass um. Die Menschen, die sich auf der Kundgebung selbst „normale Bürger“ nennen, beklatschen rassistische Sprüche auf der Rednerbühne. Nur wenige distanzieren sich davon. Sie laufen trotzdem mit. Eine Selbstkontrolle innerhalb der Gruppe findet kaum statt – im Gegenteil: Die Protestler stacheln sich mit ihren Wut-Rufen gegenseitig an.

Umso wichtiger ist, dass die Sicherheitsbehörden die Radikalisierung von Pegida genau beobachten. Denn Pegida-Hetze trägt eine Mitschuld an der Gewalt gegen Fremde. Dennoch ist ein Verbot der Organisation schwierig – und politisch heikel. Warum ist das schwierig? Die Pegida-Bewegung begann 2014 in Dresden als eine heterogene Gruppe aus Wutbürgern, Verschwörungstheoretikern, radikalen Rechten und Populisten. Seit Monaten gewinnen Neonazis und rechte Hooligans bei den Demonstrationen an Boden. Doch wie eng ihre Verbindungen zur Führungsgruppe von Pegida sind, ist zumindest für ihre Hochburg Sachsen unklar.

Innenminister Thomas de Maizère ist in einem Interview weit nach vorne geprescht, als er von „harten Rechtsex-tremisten“ im Führungszirkel von Pegida gesprochen hat. In den Verfassungsschutzämtern ist man da bisher verhaltener. Will der Staat aber Meinungsfreiheit verbieten, braucht er klare Belege für eine verfassungsfeindliche Gesinnung. Ein Verbotsverfahren gegen Pediga, das vor Gericht scheitert wie das Verfahren gegen die Neonazi-Partei NPD, ist am Ende nur ein Triumph der Rechten. Pegida-Anhänger würden sich in ihrer Rechthaberei suhlen. Ihre Hetze gegen „das System“ bekäme dann nur Futter.

Und doch lehrt die Geschichte: Der Staat darf beim Kampf gegen Rechtsradikale nicht zu vorsichtig agieren. Die Morde der Terrorzelle NSU zeigen, wie eine Szene teilweise unbeobachtet, teilweise geduldet und teilweise gefördert von und durch die Behörden erstarken konnte. Deutschlands Polizisten, Verfassungsschützer und Staatsanwälte dürfen ein erneutes Versagen nicht zulassen.

Sofern einer Gruppe wie Pegida in Sachsen keine Verfassungsfeindlichkeit nachgewiesen werden kann, ist ein Vorgehen der Justiz gegen einzelne Mitglieder umso wichtiger, die mit ihrer Hetze die Demokratie gefährden. Als am Montagabend der Publizist Akif Pirinçci auf der Pegida-Bühne die demokratisch gewählten Politiker als „Gauleiter gegen das eigene Volk“ bezeichnete und rassistisch gegen Muslime Stimmung machte, wurden diese Grenzen überschritten. Das inhaltliche Niveau seiner Rede ist platt, er flüchtet ins Vulgäre. Wäre die Botschaft nicht so erschütternd, hätte man lachen können. Es ist richtig, dass nun Staatsanwälte gegen Pirinçci ermitteln. Noch trauriger war, dass die Menschen vor der Bühne seine Hassrede fast eine halbe Stunde lang erduldeten oder bejubelten. Kann man noch reden mit Menschen, die so wenig Anstand haben? Man muss. Nur so kommen sie weg von den Rattenfängern. Das wussten auch schon „Die Ärzte“. Also sangen sie: „Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe.“