- Kanzleramtschef Helge Braun gilt als enger Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel
- Am Sonntagabend war er bei "Anne Will" zu Gast - es war nicht gerade ein überzeugender Auftritt
- Denn Smudo, der Sänger von den Fantastischen Vier, fand deutliche Worte - und führte den Kanzleramtschef vor
Die deutsche Corona-Politik ist in einer verzwickten Lage. Einerseits werden vom Bund-Länder-Treffen am kommenden Mittwoch Lockerungen erwartet. Andererseits ist wohl die dritte Welle angelaufen, sodass Öffnungen heikel sind. Das beschäftigte am Sonntagabend auch die Runde bei „Anne Will“: „Die große Ratlosigkeit – gibt es einen Weg aus dem Dauer-Lockdown?“, lautete der Titel der Sendung.
Es diskutierten:
- Kanzleramtschef Helge Braun (CDU),
- die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP),
- Christiane Woopen vom Europäischen Ethikrat,
- der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar und der
- HipHop-Musiker Smudo von den Fantastischen Vier.
„Anne Will“: Was ist vom Bund-Länder-Treffen zu erwarten?
Das Dilemma der Politik stellte Helge Braun dar. Man wolle öffnen, müsse aber jedem Schritt etwas gegenüberstellen, das Infektionen verhindere, sagte der Kanzleramtsminister mit Blick auf das Bund-Länder-Treffen. Als einen entscheidenden Baustein nannte Braun dabei Schnelltests, die „regelmäßig und kostenlos“ angeboten werden soll. Das klang gut, war aber auch frustrierend, wenn man bedenkt, dass die Tests im Prinzip schon seit einem Jahr am Markt sind.
Weitgehend einig war sich die Runde, dass vom Bund-Länder-Treffen mehr als ein „wir schauen mal weiter“ ausgehen muss. „Viele Menschen sind emotional erschöpft und existentiell bedroht“, fasste Christiane Woopen, Chefin des Europäischen Ethikrats, zusammen.
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Smudo führt den Kanzleramtschef Helge Braun vor
Das Gefühl könnte auch damit zusammenhängen, dass es außer dem Lockdown noch immer keine richtigen Instrumente gegen die Pandemie gibt. Das führte Smudo von den Fantastischen Vier vor. Er hat eine App mit initiiert, mit der man überall via QR-Code seine Spur aufzeichnen kann. Restaurantbesuch, ein Treffen mit Freunden, vorher bei den Eltern gewesen: Durch ständiges Scannen entsteht ein Kontakttagebuch, das im Falle einer Infektion und nur bei Zustimmung des Nutzers sofort mit dem zuständigen Gesundheitsamt geteilt werden kann. Das würde eine schnelle Kontaktnachverfolgung ermöglichen – außerdem könnten die Behörden zeitnah Superspreading-Events erkennen. Lesen Sie hier: Kontaktnachverfolgung mit "luca" und den Fantastischen Vier
Das klingt genial und auch datenschutzrechtlich machbar. Warum ist der Ansatz nicht längst in die Corona-Warn-App integriert? Bei dieser Frage geriet Braun ins Straucheln: „Warum muss denn immer alles der Staat anbieten?“, fragte er etwas patzig und erinnerte daran, dass die Warn-App ja komplett passiv agieren solle.
Eine schockierende Antwort
Die Antwort war schockierend, weil sie symptomatisch für das deutsche Pandemiemanagement steht: Die entscheidenden Instrumente kommen langsam (Impfungen, Schnelltests) oder gar nicht beziehungsweise sollen von externen Initiativen geliefert werden.
Tragisch ist, dass aus diesem Scheitern weiteres Scheitern folgt. So stellte Braun klar, dass man daran arbeite, Apps wie der von Smudo eine einheitliche Schnittstelle anzubieten. Dadurch sollen sich viele Anbieter andocken und mit den Gesundheitsämtern verbinden können. Doch das ist problematisch, weil man dann für den ÖPNV, den Stadionbesuch, das Restaurant etc. jeweils separate Apps bräuchte. Wer wird am Ende für alle möglichen Kontakte die passende Anwendung installiert haben?
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Zu wenige Schnelltests gesichert
Immerhin: Einen Weg aus der Misere zeichnete schließlich die Ethikerin Woopen. Ein Konzept des Expertenrates von NRW, dem sie angehört, sieht mehrere Bausteine vor: Mehrmals pro Woche stattfindende Selbsttests und eine echte Digitalisierung der Fallnachverfolgung im Sinne von Smudos App.
Das klang gut, doch schon zeichnet sich beim Thema Schnelltests eine weitere mögliche Pleite ab: Das Bundesgesundheitsministerium versichert, 800 Millionen Tests geordert zu haben. Für wirklich regelmäßiges, flächendeckendes Testen würde das aber nur kurze Zeit ausreichen.
Das Fazit
Es war eine frustrierende Runde, die sich bei „Anne Will“ einfand. Und zwar, weil sie gnadenlos vorführte, wie gehemmt das deutsche Pandemiemanagement ist. Dabei war es aller Ehren wert, dass Helge Braun den Verteidiger gab – zumal er für viele der Probleme nicht verantwortlich ist.
Doch das änderte wenig an dem Eindruck, dass Deutschland längst kein Weltmeister der Corona-Bekämpfung mehr ist. „Wir versagen bei der Schnelligkeit“, stellte Ranga Yogeshwar ganz richtig fest.
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Sehen Sie hier die ganze Folge von "Anne Will".