Essen. Im neuen „Tatort“ aus Dresden machen sich geprellte Versicherungskunden verdächtig. Der Plot trägt, aber der Humor ist rar geworden.

Die ARD hat beschlossen, den „Tatort“ künftig wieder stärker auf die Ermittlungsarbeit seiner Kriminalbeamten zurückzuführen und sogenannte Experimente auf zwei Filme pro Jahr zu reduzieren. Doch wenn es dann seitens der Regie plötzlich so herrlich subversive Einsprengsel gibt wie jetzt in dem Dresden-Beitrag „Auge um Auge“, dann muss einem für die Zukunft dieser Institution nicht bange sein.

Immerhin gelingt es der Regisseurin Franziska Meletzky hier, einer bisher eher positiven Figur wie dem konservativen Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) rechtsextreme Neigungen nachzuweisen.

Und nicht nur das: Selbst mit einem möglichen Täter macht Schnabel sich jovial gemein, weil dessen rassistische und menschenverachtende Äußerungen ihm doch aus der Seele sprechen. Doch eigentlich geht es hier gar nicht so sehr um Rechtsradikale, sondern mehr um Versicherungen und ihre oft dubiosen Praktiken. Wo Existenzen des schnöden Mammons wegen mutwillig zerstört werden, da keimt Wut auf. Gerade erst ist der Abteilungsleiter der Alva-Versicherung in seinem gläsernen Büro von drei Kugeln getötet worden.

Ungesunde Atmosphäre am Arbeitsplatz

Es sieht nach der Tat eines Scharfschützen aus, aber die beiden Hauptkommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) suchen den Täter zunächst einmal in der Firma selbst und spüren Versicherte auf, denen von der Alva übel mitgespielt wurde. Man trifft etwa auf einen ehemaligen Unternehmer (Peter Schneider), der nach einem Betriebsunfall jetzt im Rollstuhl sitzt und bisher keinen Cent Entschädigung von der Versicherung erhalten hat. Er hat sich bereits einmal vor dem Gebäude anketten lassen.

Toter Versicherungschef am „Tatort“ in Dresden

Mord in der Versicherung beim „Tatort: Auge um Auge“ in Dresden: Heiko Gebhardt, Abteilungsleiter bei der Versicherungsfirma ALVA, wurde von einem Scharfschützen getötet. Gerichtsmediziner Lammert (Peter Trabner) zeigt Kommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels) die Einschussstellen.
Mord in der Versicherung beim „Tatort: Auge um Auge“ in Dresden: Heiko Gebhardt, Abteilungsleiter bei der Versicherungsfirma ALVA, wurde von einem Scharfschützen getötet. Gerichtsmediziner Lammert (Peter Trabner) zeigt Kommissarin Henni Sieland (Alwara Höfels) die Einschussstellen. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Gerichtsmediziner Lammert erklärt Henni Sieland und ihrem Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach, l.), was er schon über den Tathergang schlussfolgern kann.
Gerichtsmediziner Lammert erklärt Henni Sieland und ihrem Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach, l.), was er schon über den Tathergang schlussfolgern kann. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Während ihre Kollegen den Fundort der Leiche unter die Lupe nehmen, ist Kommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) mit dem Spurensicherer (Renato Schuch) auf dem Dach des gegenüberliegenden Hochhauses unterwegs. Von dort hatte der Täter geschossen.
Während ihre Kollegen den Fundort der Leiche unter die Lupe nehmen, ist Kommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) mit dem Spurensicherer (Renato Schuch) auf dem Dach des gegenüberliegenden Hochhauses unterwegs. Von dort hatte der Täter geschossen. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Für die Kommissarinnen Gorniak (Karin Hanczewski, l.) und Sieland (Alwara Höfels) beginnt die Suche nach Hinweisen. Sie befragen eine Mitarbeiterin der ALVA.
Für die Kommissarinnen Gorniak (Karin Hanczewski, l.) und Sieland (Alwara Höfels) beginnt die Suche nach Hinweisen. Sie befragen eine Mitarbeiterin der ALVA. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Einer der Tatverdächtigen ist Rainer Ellgast (Arnd Klawitter). Der Hobbyschütze ist der Kollege des getöteten Heiko Gebhardt. Er hätte gerne den Chefposten seines Kollegen gehabt.
Einer der Tatverdächtigen ist Rainer Ellgast (Arnd Klawitter). Der Hobbyschütze ist der Kollege des getöteten Heiko Gebhardt. Er hätte gerne den Chefposten seines Kollegen gehabt. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Als Ellgast von Gorniak und Sieland befragt wird, tischt er ihnen ein falsches Alibi auf.
Als Ellgast von Gorniak und Sieland befragt wird, tischt er ihnen ein falsches Alibi auf. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Ebenfalls tatverdächtig: das Ehepaar Harald (Peter Schneider) und Ines Böhlert (Marie Leuenberger). Harald Böhlert sitzt seit einem Arbeitsunfall im Rollstuhl, bekommt aber trotz Berufsunfähigkeitsversicherung kein Geld von der ALVA. Die Böhlerts sind enttäuscht von der Versicherung und demonstrieren für ihre Rechte.
Ebenfalls tatverdächtig: das Ehepaar Harald (Peter Schneider) und Ines Böhlert (Marie Leuenberger). Harald Böhlert sitzt seit einem Arbeitsunfall im Rollstuhl, bekommt aber trotz Berufsunfähigkeitsversicherung kein Geld von der ALVA. Die Böhlerts sind enttäuscht von der Versicherung und demonstrieren für ihre Rechte. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Kommissariatsleiter Schnabel befragt Fabian Rossbach (Sascha Göpel), einen weiteren Tatverdächtigen.
Kommissariatsleiter Schnabel befragt Fabian Rossbach (Sascha Göpel), einen weiteren Tatverdächtigen. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Auch Rossbach will Geld von der ALVA. Er könne wegen einer Knieverletzung nicht mehr arbeiten, behauptet er.
Auch Rossbach will Geld von der ALVA. Er könne wegen einer Knieverletzung nicht mehr arbeiten, behauptet er. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Schnabel findet auf dem Wäscheständer von Rossbach Fahrradkleidung. Offenbar kann Rossbach trotz des verletzten Knies seinem Hobby Rennradfahren nachgehen.
Schnabel findet auf dem Wäscheständer von Rossbach Fahrradkleidung. Offenbar kann Rossbach trotz des verletzten Knies seinem Hobby Rennradfahren nachgehen. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Werden die Mitarbeiterinnen der ALVA unter Druck gesetzt? Cordula Wernicke (Ramona Kunze Libnow, l.) zeigt ihrer Kollegin Claudia Bischoff (Isabell Pollack) eine Patrone. Sie wurde ihr anonym in einem Umschlag per Hauspost geschickt.
Werden die Mitarbeiterinnen der ALVA unter Druck gesetzt? Cordula Wernicke (Ramona Kunze Libnow, l.) zeigt ihrer Kollegin Claudia Bischoff (Isabell Pollack) eine Patrone. Sie wurde ihr anonym in einem Umschlag per Hauspost geschickt. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
Wernicke wird von ihrer Kollegin Bischoff, die eine Affäre mit Rainer Ellgast hat, beobachtet.
Wernicke wird von ihrer Kollegin Bischoff, die eine Affäre mit Rainer Ellgast hat, beobachtet. © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
IT-Experte Ingo Mommsen (Leon Ullrich) berichtet Kommissarin Gorniak seine neuesten Erkenntnisse über die innerbetrieblichen Intrigen der ALVA. Welcher der Verdächtigen ist bloß der Täter?
IT-Experte Ingo Mommsen (Leon Ullrich) berichtet Kommissarin Gorniak seine neuesten Erkenntnisse über die innerbetrieblichen Intrigen der ALVA. Welcher der Verdächtigen ist bloß der Täter? © MDR/Wiedemann & Berg | Gordon Muehle
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Ganz davon abgesehen herrscht in den Büros eine ungesunde Atmosphäre. Es sind sogar Zettel mit Todesdrohungen im Umlauf. Und dann wird auch noch auf einen weiteren Versicherungsangestellten geschossen, den schmierigen Stellvertreter des Toten. Es ist alles ein wenig anders im vierten „Tatort“ aus Dresden, auch wenn für dessen Drehbuch Stammautor Ralf Husmann verantwortlich zeichnete.

Beziehungskrise ist des Guten deutlich zu viel

Was auf der Strecke bleibt, ist die hintersinnige Komik, die bisher in den Dresden-Krimis spürbar war. Es herrscht nun Ernsthaftigkeit. Auch die noch draufgepackte Beziehungskrise zwischen Ermittlerin Henni und ihrem Freund ist des Guten deutlich zu viel. Positiv: das immer besser funktionierende Spiel zwischen den beiden Kommissarinnen.

Versöhnliches gibt es zum Schluss auch noch: Ermittlerin Sielands Engagement in Sachen Migranten gleicht den Rechtsruck des Chefs wieder ein wenig gerade, Schnabel selbst kann als Vorgesetzter am Ende dann doch noch ein paar Sympathiepunkte einsammeln. Doch die Zweifel bleiben.

Fazit: Der engagierte Fall präsentiert einen Staatsdiener als Rechtsaußen und attackiert die Praktiken der Versicherungsbranche. Punktabzüge jedoch für eine fade Beziehungskrise und den rar gewordenen Humor.

Sonntag, 12. November, ARD, 20.15 Uhr