Film

Annie Ernaux: Intimes von einer Literaturnobelpreisträgerin

Eberhard von Elterlein
Auf Reisen: Annie Ernaux mit ihren Söhnen.

Auf Reisen: Annie Ernaux mit ihren Söhnen.

Foto: Film Kino Text

Die französische Literaturnobelpreisträgerin sichtet ihr Familienarchiv: Warum „Annie Ernaux – Die Super 8 Jahre“ so sehenswert ist.

Die beiden Söhne packen vor einer bunten Tapete Weihnachtsgeschenke aus. Die Oma lächelt im geblümten Kittel („Sie hatte immer Würfelzucker und ein Taschentuch darin“). Die Mutter schaut meist recht ernst in die Kamera. Aufnahmen aus dem Privatleben der Familie Ernaux, festgehalten mit der Super-8-Kamera zwischen 1972 und 1981 von Ehemann und Vater Philippe.

Annie Ernaux: Spurensuche in die Zeit vor der Literatur

Eigentlich zu privat für das große Kino. Aber da es sich bei der Protagonistin um die aktuelle Literaturnobelpreisträgerin und bei dem Film „Annie Ernaux – Die Super 8 Jahre“ um das Regiedebüt der 82-jährigen Autorin handelt, die das einstündige (stumme) Werk mit ihrem Sohn David Ernaux-Briot nicht nur erstellt hat, sondern auch einspricht, wird daraus eine interessante Spurensuche in die Zeit, bevor die Französin ihre (stark autobiographisch geprägte) Literatur entdeckt hat.

Annie Ernaux: In der Blase der Bourgeoisie

Und siehe da: Das ethnologische Erforschen ihrer einfachen Herkunft, ihr Fremdsein in der Blase der Bourgeoisie, ihre Faszination für die Unterdrückten – auf ihren Reisebildern aus Albanien und Chile, der Bootsfahrt auf der Themse oder der Peripherie von Paris (jeweils noch ohne Hochhäuser) wird ihre Nähe zum Ursprünglichen deutlich.

Dabei ordnet sie im prägnanten Kommentar die Bilder ein, erklärt dabei ihr Unwohlsein als Arbeiterkind im Bildungsbürgertum, das schließlich 1981 in der Scheidung von Ehe- und Kameramann Philippe mündet, und gibt dabei ganz nebenbei Einblicke in die Gefühlslage der französischen Gesellschaft nach 1968.