Ausstellung

Künstler Ai Weiwei und sein Berliner Macher

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Gabriela Walde

Foto: Reto Klar

Die Schau von Ai Weiwei im Martin-Gropius-Bau in Berlin-Kreuzberg ist das Kunstereignis des Jahres. Direktor Gereon Sievernich hat sie ermöglicht. Ein erster Rundgang.

„Bitte, hier möchte ich nicht fotografiert werden“. Verständlich, Gereon Sievernich steht vor Ai Weiweis ehemaliger Gefängniszelle, einem Nachbau von 1:1. Irgendwie denkt man gleich an die Stasi und ihre Machenschaften. Exakt 7,2 Meter mal 3,6 Meter, größer als man tatsächlich gedacht hätte. Doch das macht die Sache nicht leichter:

Darin verbringt der Chinese 2011 knapp drei lange Monate, Tag und Nacht, bewacht, in fünf Schichten, 24 Stunden lang, selbst beim Klogang. Die Neonröhre brennt unerbittlich, Schlafentzug ist Folter. Die leere Kleiderstange ist der pure Hohn. Alles ist mit weißem Schaumstoff beklebt, selbst Toilettendeckel und Schrank. Eine gewisse Vorsorge, falls Ai Weiwei an Selbstmord gedacht hätte.

Kein Pass, keine Ausreise

Ai Weiwei ist der wohl bekannteste lebende Chinese. Ein Star auch in seinem Land, obwohl die Regierung das leugnet, sein Internet blockiert und ihn weiterhin flächendeckend überwacht. Überall hängen Kameras. Egal ob Korruption, das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Umweltskandale – der Künstler und Regimekritiker scheut kein Thema. Vermutlich buchstabiert Gereon Sievernich den Namen Ai Weiwei schon im Traum.

Drei Mal war er in Peking, um mit ihm seine bislang größte Ausstellung überhaupt im Martin-Gropius-Bau vorzubereiten. Ai Weiwei kann nicht reisen. Als er vor drei Jahren verhaftet wurde, konfiszierte die Geheimpolizei gleich seinen Reisepass. Insofern ist jede Ausstellung für ihn so etwas wie ein verlängertes Sprachrohr für die Freiheit.

Für Sievernich ist es die schwierigste Ausstellung in diesem Jahr. Ein Politikum. Ende der Woche besucht der chinesische Staatspräsident die Kanzlerin. Wird Ai Weiwei doch noch in letzter Sekunde reisen dürfen? Wird Angela Merkel den Fall zum Thema machen?

Enorme Materialschlacht in 18 Räumen

Bei seiner Verhaftung hatte sie sich schon einmal für ihn eingesetzt. Doch aus dem Kanzleramt ist leider wenig zu erfahren. „Die Gespräche sind vertraulich. Die Bundeskanzlerin setzt sich regelmäßig für den Schutz von Menschenrechten in China ein“, mehr will ein Sprecher nicht sagen. Erst kürzlich starteten Peter Raue, Klaus Staeck und Alexander Ochs eine Initiative „Freiheit für Ai Weiwei“. Das Schreiben liegt nun im Kanzleramt. Geplant ist, das Kultur-Staatsministerin Monika Grütters die Ausstellung nächsten Mittwoch eröffnet.

Fünf Assistenten Ai Weiweis haben im Gropius-Bau aufgebaut. Eine enorme Materialschlacht in 18 Räumen – 15 Container wurden nach Berlin verschifft. 40 Tage auf dem Wasser. Eine ziemliche Sisyphus-Arbeit müssten die drei erledigen: 6000 spartanische, schäbige Holzhocker stehen nun im imposanten Lichthof, dicht an dicht, teils farbig oder/und gesplittert. Keine Schraube, kein Nagel, alles traditionelle Holztechnik. Da steht man in westlichen Wohnwelten mittlerweile wieder drauf. Von Weitem sehen die Schemel aus wie Pflastersteine in XXL.

Sie stammen aus dem Norden Chinas, heute findet man sie zu Tausenden auf den Flohmärkten. Im Gegensatz zu den reichen, güldenen Verzierungen der Halle aber wirkt das Ganze nicht konstruiert, sondern seltsam meditativ und wunderbar still. 3500 braune und rote Krabben füllen den Boden in einem der 18 Ausstellungsräume, die wollen auch aufgestellt sein. Sievernich nimmt einen Krebs auf, wendet ihn im Handballen. „Handgefertigt“, sagt er. Jedes Detail des Porzellankörpers ist sorgsam ausgearbeitet, die Zange, der Panzer.

Hunderte Chinesen spendeten Geld

Ai Weiwei hat sie in Jingdezhen produzieren lassen, der ehemaligen Kaiserlichen Porzellanmanufaktur, von dort stammte auch das berühmte weiße Gold. „Ai Weiwei schafft auch noch Arbeitsplätze“, sagt Sievernich. Die Hocker und das Porzellan sieht Weiwei als Symbol für die Kultur und Tradition seiner Heimat. Ein Land, dass sich seit Jahrzehnten im Umbruch befindet in ein modernes, zu schnell wachsendes China. Vieles bleibt auf der Strecke.

„Eigentlich“, sagt Sievernich, „spricht Ai Weiwei in der Schau einfach über China. In seinem Land kann er ja nicht ausstellen, jeder Museumsdirektor, der ihn zeigen würde, hätte die Kündigung auf dem Tisch.“ Ai Weiwei leidet, weil er nicht raus kann. Er ist ein gefragter Künstler, auch New York bereitet eine Schau vor. Ai Weiweis Assistenten sind schon abgereist, viel zu tun für den Meister.

Vielleicht wird der Besucher nicht gleich alles gleich verstehen, was er da sieht. In vier Räumen sind die Wände fortlaufend tapeziert mit nummerierten Schuldscheinen. Im Ais Pekinger Atelier ging es zeitweise zu wie in einer Bankfiliale. Aus Solidarität hatten ihm Hunderte Chinesen Geld gespendet. Der Konzeptkünstler signierte daraufhin bündelweise Schuldscheine. Die sind heute einiges wert. Keiner löst sie ein.

Dann gibt es da noch das schön geschnitzte alte, mächtige Bettgestell, ziemlich grob eingemauert in wuchtige Steinbrocken samt Zement. Diese historischen Rahmen landen seit Jahren allesamt auf dem Müll, man will halt modern sein in China. Die Steine stammen aus Weiweis ehemaligen Atelier in Shanghai.

Mitglied der Akademie

Das ließen die Funktionäre mit fadenscheinigen Begründungen abreißen, wieder so ein Willkür-Akt gegen den Künstler. Weiwei nennt die Installation nun schlicht „Souvenir aus Shanghai“. „Die Exponate sind wie Flaschenpost aus China“, findet Sievernich, „man muss das nur decodieren“.

Ai Weiwei weiß, Berlin ist der richtige Ort für Botschaften. Zudem ist er hier Mitglied der Akademie der Künste und hat einen Ruf an der Hochschule der Künste. Vor seiner Verhaftung gab es sogar Pläne für ein Atelier in der Stadt. Überhaupt erlebte der Künstler in Deutschland seinen Durchbruch – auf der Documenta 2007. Für „Fairytale“ lud er damals 1001 Chinesen nach Kassel ein.

„Dass Ai Weiwei Berlin so schätzt, hat mit seiner politischen Haltung zu tun. Deutschland hat zwei Diktaturen überlebt, und danach demokratisches Leben erkämpft und gestaltet. Das fasziniert ihn“, erzählt Galerist Alexander Ochs. Mal sehen, wann die chinesische Regierung mit ihrer Schikane aufhört. Weiwei hält durch. „Er ist mutig“, findet Sievernich. „Er hat Kraft“, sagt Ochs.

Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg. Mi-Mo 10-19 Uhr. Ab 3. April 2014. Filmpremiere „Ai Weiwei – Evidence“. Kinosaal, 31. März 2014, 19 Uhr