Monika Grütters kommt mit dem Fahrrad. Vom Bundestag zur Humboldt-Box in Berlin-Mitte könnte diese Art der Fortbewegung angesichts der vielen Staustellen auch die schnellste sein. Mit Sicherheit aber die angenehmste an einem Sommertag wie diesem. Trotzdem schützt sie den Sattel mit einem Plastiküberzug vor möglichen Schauern.
Wir sind im Restaurant verabredet. Auch für die Bundestagsabgeordnete Monika Grütters gibt es keine Sonderregeln: Sie muss unten an der Kasse genauso bezahlen wie jeder andere, der nicht in die Ausstellung, sondern nur ins Restaurant will.
Von der Terrasse aus hat man einen spektakulären Überblick über die Arbeiten am künftigen Humboldt-Forum, einer der größten Kultur-Baustellen der Republik.
Etwas Spektakuläres
Das Essen findet im August statt, ein Monat vor der Bundestagswahl. Gefühlt ist der 22. September, der Wahltag, noch Monate entfernt; die Wahlkampfstimmung kam in diesem Jahr sehr spät auf. Bernd Neumann ist zu dieser Zeit Kulturstaatsminister und keiner weiß, ob der CDU-Politiker seine Amtszeit um weitere vier Jahre verlängern wird.
Seit Dienstagabend ist die Spekulation vorbei. Da lässt er erklären, dass er nicht mehr zur Verfügung steht, zudem ist von gesundheitlichen Problemen zu hören. Neumann, der 71-Jährige aus Bremen, wird als der Kulturstaatsminister in Erinnerung bleiben, der als erster eine ganze Legislaturperiode absolviert und immer Geld besorgt hat.
Es liegt in der Natur des politischen Geschäfts, dass mit einem Abtritt sofort über die Nachfolge diskutiert wird. Monika Grütters ist die Vorsitzende des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages, daher ist es jetzt nicht sonderlich originell, dass ihr Name als Erstes fällt, wenn über Neumanns Nachfolge spekuliert wird. Und es gehört genauso zum guten Ton, dass in diesen Tagen, in denen über die große Koalition verhandelt wird, sich kein Politiker über Ambitionen über irgendwelche Posten äußert. „Wir reden als erstes über Inhalte“, heißt es dann gebetsmühlenartig.
Aber es ist ja noch August, und Monika Grütters, die Spitzenkandidatin der CDU in Berlin ist und in Wilmersdorf lebt, kann, ohne dass man ihr Böses unterstellt, von den Baufortschritten des Staatsschlosses schwärmen; bei der Grundsteinlegung für den Wiederaufbau war sie eingeladen. Ende 2014 soll der Rohbau stehen.
Niemand geht momentan davon aus, dass der Termin nicht zu halten ist. Die zügige Errichtung von Wänden und Decken scheint nicht zu dem Tempo der inhaltlich-konzeptionellen Gestaltung zu passen.
Aber noch ist etwas Zeit, 2019 soll das Humboldt-Forum eröffnet werden, im Zentrum der Ausstellungsräume werden dann die außereuropäischen Sammlungen stehen, die derzeit in Dahlem ein Schattendasein fristen. Die künftige Präsentation sollte dem zentralen Ort angemessen sein, da erwarten nicht nur Kulturpolitiker etwas Spektakuläres.
Gehört zu den profiliertesten Kulturpolitikern der CDU
Monika Grütters kann beides: Sich um das Geld kümmern und um seine Verwendung. Das wäre ein Novum in der Kulturpolitik. Neumanns Vorgänger waren allesamt Intellektuelle, was die schmeichelhafte Umschreibung für „Außenseiter in der Politik“ ist. Neumann hingegen verschaffte sich nach anfänglicher Ablehnung großen Respekt in der Kulturszene. Er hat ihn sich quasi erkauft. Sein Etat stieg kontinuierlich und sei es auch nur, weil Sondermittel aus einem Hochwasser-Fonds dem Denkmalschutz zugute kamen. Neumann war sich nie zu schade, in die vermeintlichen Niederungen herabzusteigen. Kein Schöngeist, ein Strippenzieher mit ausgeprägter Leidenschaft für den Film.
Die teilt Monika Grütters nicht so, bei der letzten Berlinale-Eröffnung im Februar ging es beim Small-Talk schnell um kulturpolitische Themen wie die Zukunft des Musikfestes Berlin oder den Masterplan der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Man trifft sie in Berlin bei Konzerten, Opern- oder Theaterpremieren.
Grütters, 1962 in Münster geboren, zählt neben dem alten und neuen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert zu den profiliertesten Kulturpolitikern der CDU. Beide eint, dass sie bei der Bundestagswahl im Vorfeld keine sicheren Wahlkreise bekommen haben; beide sind nur über die Landesliste erneut ins Parlament gekommen. Diese Zitterpartien an Wahlabenden kennt Monika Grütters, die erstmals 2005 in den Bundestag einzog, schon, die bekennende Katholikin muss sich in ihrem Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf, wo die Linkspartei mit großem Vorsprung traditionell siegt, wie in der Diaspora vorkommen. 1400 Plakate hat sie zusammen mit ihrem Team geklebt, beim Treffen in der Humboldt-Box zeigt sie stolz ein paar Handyfotos von dem Wochenend-Arbeitseinsatz, geworben wurde vorzugsweise in den plattenbaufernen Bereichen des Bezirks, eben dort, wo CDU-Wählerpotenzial vermutet wird.
Germanistik, Kunstgeschichte und Politikwissenschaften hat die 51-Jährige in Bonn und Münster studiert, ihren ersten Job in Berlin hat sie 1990 im Museum für Technik und Verkehr angetreten, in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Sie war Pressesprecherin der Senatskulturverwaltung, lehrte an der Hochschule für Musik, ist Honorarprofessorin an der FU, war von 1995 bis 2005 als Mitglied des Abgeordnetenhauses wissenschafts- und kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Sie gilt als Vertreterin einer großstädtischen CDU, die die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (mit der sie, wie Claus Peymann gern erzählt, schon mal abends ins Berliner Ensemble geht), vorangetriebene Öffnung der Partei aus Überzeugung unterstützt.
Posten nach Parteiproporz
Die Krönung ihrer Karriere wäre sicherlich der Job als Kulturstaatsministerin. Und sie wäre eine gute Besetzung für den Posten. Aber mehr als eine Kandidatin ist sie eben noch nicht. Posten werden in der Regierung auch danach verteilt werden, welcher Landesverband wo wie vertreten ist oder sein sollte. Parteiintern hat Monika Grütters natürlich nicht nur Freunde. Die verweisen gern darauf, dass eine Berliner Bundestagsabgeordnete nicht Kulturstaatsministerin werden könne, weil ein Großteil der Mittel ohnehin nach Berlin fließt. Jemand, der so gut in der Hauptstadt vernetzt sei, könne schlecht über Zuwendungen im dreistelligen Millionenbereich entscheiden, das würde sofort zu Kritik aus anderen Landesverbänden führen. Der Föderalismus ist in der Kultur noch eine heilige Kuh.
Auch parteiintern gibt es ernst zu nehmende Konkurrenz. Beispielsweise Johanna Wanka. Die 62-Jährige war Kultur- und Wissenschaftsministerin in Brandenburg, wechselte dann in die schwarz-gelbe Regierung in Hannover und wurde von Merkel nach dem Rückzug von Annette Schavan wegen eines Plagiatsvorwurfs für kurze Zeit Bundesbildungsministerin. Sollte dieses Amt im Zuge der Koalitionsverhandlungen an die SPD gehen, hätte Wanka sicherlich Chancen, Kulturstaatsministerin zu werden. Die Amtsräume in Berlin liegen übrigens im Kanzleramt. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass ein SPD-Vertreter diesen Job bekommt.