Die Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko haben Richard Strauss‘ Märchenoper „Frau ohne Schatten“ in der Philharmonie gespielt.
Begeisterung und Benommenheit am Ende, Erschöpfung und Jubel nach über vier Stunden. Die Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko haben Richard Strauss‘ Märchenoper „Frau ohne Schatten“ in der Philharmonie gespielt – als kontrollierten Klangrausch inklusive himmlischer Farben und höllischer Lautstärken. So höllisch, dass man nicht nur um die eigenen Ohren fürchtet. Sondern auch ums luxuriöse Solistenensemble.
Natürlich ist dies der Nachteil einer konzertanten Aufführung, wie sie jetzt im Großen Saal stattfindet: Anders als bei den Osterfestspielen in Baden-Baden vor ein paar Tagen gibt es keinen Operngraben. Das Orchester sitzt den Solisten direkt im Rücken. Eine gute Balance ist dadurch viel schwieriger herzustellen. Doch es gibt auch einen Vorteil: Die verworrene Handlung der „Frau ohne Schatten“ fällt nicht so sehr auf wie sonst. Hier die abgespeckte Version: Eine Kaiserin aus der Geisterwelt braucht unbedingt einen menschlichen Schatten, damit sie fruchtbar wird und ihrem Mann Kinder gebären kann. Schafft sie es nicht, zerbricht ihre Ehe und ihr Mann, der Kaiser, muss sterben.
Verwicklungen zwischen der Geister- und der Menschenwelt
Doch die Amme der Kaiserin hilft mit ihren Zauberkünsten. Sie bringt die Frau eines Färbers dazu, ihren Schatten zu verkaufen. Nach zahlreichen Verwicklungen und Wechselwirkungen zwischen Geister- und Menschenwelt läuft es auf ein doppeltes Happy End hinaus mit zwei glücklichen, geläuterten Paaren. Und die kleine Moral der Geschichte: Die Ehe, so der Librettist Hugo von Hofmannsthal, ist der Schlüssel zur Humanität. Doch warum macht Strauss daraus ausgerechnet einen musikalischen Superhelden-Blockbuster mit XXL-Orchester und diversen Chören? Ganz einfach – weil er es kann. Seine „Frau ohne Schatten“ quillt schier über vor künstlerischer Reife, Meisterschaft und Artistik.
Es wirkt wie ein Mix aus Strauss‘ bisherigem Schaffen, kombiniert mit Wagnerschem Klangzauber und Brahmsscher Strenge. Wobei die Brahmssche Strenge auch an den festen Zügeln liegen kann, die Petrenko den Philharmoniker zuweilen anlegt. Mehr Freiheiten genießen die Gesangssolistinnen: Elza van den Heever als Kaiserin strahlt Wärme und Leidenschaft aus, Miina-Liisa Värelä ist eine virtuos-widerspenstige Färbersfrau. Und Michaela Schuster fasziniert als boshaft-direkte Amme mit Ecken und Kanten. Fehlt noch die vierte Hauptperson: Wolfgang Koch als gutmütiger, etwas phlegmatischer Färber, der erst im Schluss-Akt gewaltig aufdreht.