Berlinale

Forum: die Ukraine, der Iran und viele verlorene Figuren

| Lesedauer: 2 Minuten
Eberhard von Elterlein
Man muss ein Stein sein in dieser Welt: Tshuchi Kanou in "There is a stone"

Man muss ein Stein sein in dieser Welt: Tshuchi Kanou in "There is a stone"

Foto: Tatsunari Ota

Flüchtlingskrise und Fehltritte: Im Forum-Programm der Berlinale spiegeln sich politische und private Katastrophen in starken Filmen.

Die Welt ist ja gerade in einem gehörigen Umbruch, und sicherlich ist keine Filmsektion der Berlinale so geeignet, diese Brüche, Wunden und Scherben der Welt zu reflektieren wie das Forum, das stets auch das Medium Film als Widerspiegelung der Welt hinterfragt, Bilder überprüft, Sehgewohnheiten stört.

Das ist es auch logisch, dass sich die aktuellen großen Konflikte im 40 Filme starken Hauptprogramm gebrochen zeigen. Da muss man schon mal genauer hinschauen, wenn Piotr Pawlus, und Tomasz Wolksi in ihrer Dokumentation „In Ukraine“ im Hochsommer Minensucher auf Spielplätzen, tobende Jungs an kaputten Panzern und Frauen bei der Essenausgabe beobachten, während aus dem Off Vogelgezwitscher zu hören ist.

Iran: Folter im Theater nachgespielt

Ukraine-Krieg – war da etwa was? Doch stetes Sirenengeheul und Gespräche von Soldaten im Gebüsch bei Schusswechseln führen am Ende zurück in jene täglichen Nachrichtenbilder, die die beiden polnischen Regisseure vorher so geschickt unterlaufen haben.

Verfremdet kommt uns auch der Iran in Mehran Tamadons „Where God is not“ entgegen. Drei Menschen spielen in einem Raum das Erlebnis ihrer Folter nach. Ein Gerüst stellt Wände und Stockbett dar, Gitter sind an die Wand gemalt. Traumatische Erfahrungen als theaterähnliche Wiederaufarbeitung, intensiv, ohne dabei Antworten auf alle Fragen zu finden.

Fluchtgeschichten aus dem Tal des Stillstands

Und als ob da nicht schon genug der Krisen wären, hält uns die Flüchtlingsproblematik ja schon seit Jahren in Atem. Der kanadische Spielfilm „Concrete Valley“ führt uns in dabei in ruhigem Erzählduktus durch die Mühen der Ebene, die eine syrische Familie in Toronto erlebt.

Erzählt werden kleine Fluchtgeschichten aus dem Tal des Stillstands: Arzt Rashid flüchtet in den Wald oder zur Nachbarin und seine Frau Farah in die Arbeit einer Bürgerschaftsinitiative. Eine Chronik des steten Nebeneinanders, die in der Szene gipfelt, als Rashid seine Frau nicht erkennt, als sie neben ihm steht.

Ja, es sind dieses Jahr viele verlorene Figuren im Forum. Opfer politischer und privater Katastrophen und Erlebnisse. In „Arturo y los 30“ aus Argentinien erfährt etwa der Protagonist in wechselnden Zeitebenen sein Leben als eine Folge von Fehltritten. Und im japanischen Film „There is a stone“ schaut eine junge namenlose Frau Steinen beim Hüpfen zu.

Ersteres ist eine Komödie der rrungen, zweites eine poetische Reflexion über das Verrinnen von Zeit. Alle Figuren bewegen sich im Stillstand. Das ist kein schönes Fazit des Forums-Jahrgangs, aber es kommen gute Filme dabei heraus.