Wer kann in einer Show als Marie Antoinette, Maria Callas und Britney Spears auf der Bühne stehen – und das ergibt perfekt Sinn? Eine Drag-Performerin! Olympia Bukkakis, aufführungsgestählte Queen und studierte Performerin, hat sich die Verkörperungen der drei glamourösen Diven für ihr Stück „replay“ an den Sophiensaelen auf den Leib choreographiert. Im taupefarbenen Body mit Tüllschleppe tanzt sie sich mit ihren Sidekicks, Am Ertl und The Darvish, im Musikvideo-Stil lippensynchron durch Spears’ Hit „Stronger“. Sehr zur Freude des Publikums. Mit Puderperücke und mehreren Lagen Spitze über dem Reifrock playbackt Bukkakis tragisch erstarrt die Arie „Casta Diva“ aus der Oper „Norma“.
Marie, Maria, Britney: Personifikationen und Parodien von Berühmtheiten sind Teil der Drag-Kultur. In der TV-Show von US-Ikone Ru Paul sind Drag Queens als Judy Garland, Eartha Kitt oder Paris Hilton legendär. Im Voguing, das The Darvish als Performer bei „replay“ einbringt, ist das Posieren à la Modenschau ein Kernelement jeden Auftritts. Imitationen, wenn auch im ganz eigenen Stil: Für die auf Innovation und Neuheit versessenen Darstellenden Künste ist das eine Provokation. Umso erfreulicher, dass die Drag-Kultur in den Spielstätten der freien Szene angekommen ist. Lang agierten Drag-Performer:innen außerhalb künstlerischer Kontexte und jenseits jeglicher Finanzierung, wie sie der zeitgenössische Tanz erfährt. Und doch befeuern diese Szenen nicht nur Berlins hochgelobte Kreativität.
Es ist ein politisches Statement – und auch notwendig
Am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz Berlin (HZT), wo Olympia Bukkakis 2019 ihren Master „Solo Dance Authorship“ abgeschlossen hat, ist man offen für diverse Performance-Stile und Körperkonzepte. Wie vor ihr Tänzerinnen und Tänzer aus dem Hip-Hop, der oft als kommerziell abgestempelt war, oder Performerinnen und Performer mit Behinderung, die keinen Zugang zur Kunstförderung hatten, bahnt das HZT einen Weg auf die Bühnen der Stadt.
Politisch ist das ein Statement. Und es ist eine Notwendigkeit, müssen sich die Spielorte doch verstärkt an unterschiedliche Communities wenden. Das eine Publikum gibt es nicht einmal mehr im Stadt- und Staatstheater, dem qua Demografie die Bildungsbürger verloren gehen, geschweige denn in der Freien Szene. Olympia Bukkakis ist damit auch die Statthalterin einer sogenannten Subkultur. Obgleich sie seit einem halben Jahrzehnt im zeitgenössischen Tanz verankert ist und schon einige Male an den Sophiensaelen produziert hat.
Neben den Playbacks gibt es in „replay“ auch lange Tanzsequenzen. Anfeuernd und kommentierend begleiten je zwei der Darstellenden die dritte mit „ooh“, „aah“ und „uuh“ durch deren komisch-virtuose Soli. Am Ertl und The Darvish tragen eine wettbewerbsfreie, freundschaftliche Battle der Tanzstile aus, begleitet von Bukkakis am Cello. Das Instrument spielt eine vierte Hauptrolle. Manche Soundschichtungen werden länglich, aber da entwirft Bukkakis mit ihrer Loop Station eine Cover-Version von Britney Spears’ „Toxic“, die alle wieder in die Gegenwart der Aufführung reißt. Am Schluss explodiert der ausverkaufte Saal in Applaus.