„Die Zukunft des RBB“

Den RBB stärken – jetzt erst recht!

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Melanie Kühnemann-Grunow sieht bei der Neuaufstellung des RBB auch die Politik in der Pflicht.

Melanie Kühnemann-Grunow sieht bei der Neuaufstellung des RBB auch die Politik in der Pflicht.

Foto: Christian Ditsch / epd

Die medienpolitische Sprecherin der SPD erklärt, warum und wie der Sender jetzt um das junge Publikum kämpfen muss.

2022 ist der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) in schwere Turbulenzen geraten. Wie soll es mit dem öffentlich-rechtlichen Medienhaus weitergehen? In unserer Serie beleuchten wir in loser Folge den Reformbedarf des Senders. Heute: Melanie Kühnemann-Grunow, medienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Ich bin begeisterte radioeins-Hörerin, früher habe ich täglich Fritz gehört. Im Hörfunk gelingt dem RBB vieles richtig gut – Information, Lokales, gute Musik und mutige und spannende Formate, Mainstream und immer wieder auch Feinschmeckerthemen. Wann schalte ich aber den RBB im Fernsehen an? Regelmäßig um 19.30 Uhr zur „Abendschau“ – klar will ich wissen, was wichtig war am Tag, was über die Landespolitik berichtet wird. Aber darüber hinaus? „Chez Krömer“ mochte ich, auch wenn es manchmal weh tat, und „Warten auf den Bus“. Zwei Formate, die mutig anders sind, jedes auf seine Art. Dies vorweg als kleiner persönlicher Einblick.

Ich halte sehr viel vom Regionalfernsehen der dezentral organisierten ARD-Familie und die Qualität des RBB, insbesondere im Hinblick auf eine unabhängige und kritische Berichterstattung aus der Region, ist hoch. Eine Region wie Berlin-Brandenburg braucht einen eigenen Sender.

Die Vorkommnisse sind in diesen Zeiten besonders schwer zu ertragen

In diesem Zusammenhang erschüttern die Vorwürfe, die gegen die ehemalige Intendantin und die Geschäftsführung des RBB erhoben werden, schwer. Und nicht nur das, sie haben in einer ganzen Reihe anderer ARD-Anstalten Probleme zutage gefördert. In nahezu allen öffentlich-rechtlichen Sendern, auch dem ZDF, existieren überzogene Gehaltsstrukturen und ein System variabler Vergütungen bzw. Boni für Intendanzen, Geschäftsführungen und Direktorinnen und Direktoren, das sich für Anstalten, die durch Gebühren finanziert sind, verbittet.

Wenn man berücksichtigt, wie sehr die unabhängige freie Berichterstattung weltweit unter Druck steht und wie sehr sie ein Dorn im Auge derer ist, die von Desinformation, Fakenews und Hass leben, sind die Vorkommnisse besonders schwer zu ertragen. Unsere Gesellschaft braucht einen handlungsfähigen, technisch modernen, hochqualitativen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Brandmauer gegen Allmachtsfantasien und Übergriffe von politischer Seite. Denn die öffentlich-rechtlichen Anstalten arbeiten staatsfern, unabhängig, pluralistisch und dienen der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Sie fragmentierten Informationslandschaften, Desinformation und Hassreden begegnen die Qualitätsmedien mit Aufklärung. Gerade deshalb muss hier dringend zerstörtes Vertrauen wiederhergestellt werden.

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Es braucht beim RBB Erneuerung in vielen Bereichen: mehr Krisen-Resilienz, strenge Complianceregelungen mit entsprechenden Maßnahmen zur Korruptionsprävention, im Hinblick auf Vergütungsstrukturen Transparenz sowie Maßstäbe für Gehälter. Die Kontrollgremien müssen dringend neu aufgestellt werden und benötigen insgesamt eine Professionalisierung.

So gut die Nachrichten und die Berichterstattung im RBB auch sind, im Bereich der Unterhaltung muss sich so einiges ändern. Nur mit Angeboten, die Zuschauerschaft und Zuhörerschaft begeistern, kann der gesetzliche Auftrag umfassend erfüllt werden. Nur dann hat der RBB eine Zukunft.

Der RBB muss um das junge Publikum kämpfen, das schon lange nicht mehr auf rein lineare Angebote zurückgreift. Ein Ausbau der Mediatheken und Apps sowie crossmediales Arbeiten sind einzelne Bausteine dazu. Es gibt jetzt Rufe nach Zuschauerräten, die an der Programmgestaltung beteiligt werden sollen. Ich halte diesen Vorschlag aber vor allem für populistisch und mir ist nicht klar, wer diese Zuschauer sein sollen.

In demselben Maße, wie man den Wert und die Qualität des Journalismus hervorheben muss, kritisiere ich die Unterhaltungsangebote. Geschmäcker sind sicherlich verschieden, aber anstatt mutig, kreativ und innovativ voranzuschreiten, bedient der RBB vor allem die Altersgruppe der Nachkriegsgeneration. Jüngere Zuschauer, die mit Streamingdiensten und anderen Internetangeboten vertraut sind, werden sich von einer Dauerschleife der vielen Vorabendkrimis, Kochshows und Quizshows im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr überzeugen lassen – das gilt für die ARD und das ZDF gleichermaßen.

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Da werden im RBB alte Filmaufnahmen aus Berlin unter dem Titel „Schicksalsjahre einer Stadt“ aus dem Keller der Einfallslosigkeit zu Tage befördert. International hochdekorierte Serien wie die „Sopranos“ oder „Breaking Bad“ werden ignoriert oder in das Nachtprogramm verbannt. Serien wie „Game of Thrones“ findet man tatsächlich eher im Privatfernsehen. Während sich zumindest die BBC die Rechte an großartigen Produktionen wie „Black Mirror“ sichert, verbannt man die wenigen frischen deutschen Eigenproduktionen in die Mediatheken, wo sie weder von der Generation des linearen Fernsehens gefunden noch von der Streaminggeneration gesucht werden. So verbringen junge Menschen auch in den nächsten Jahren ihre Feiertage lieber mit „Rick Morty“, „Andor“ und „Die Ringe der Macht“ bei Netflix und Co.

Die Interimsintendantin und die neu zu wählenden Gremien wie Rundfunk- und Verwaltungsrat stehen vor großen Herausforderungen. Die Vorgänge im RBB müssen gründlich aufgearbeitet, die Finanzverfahren transparent neu geordnet, aber auch das Programm dringend überarbeitet werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RBB haben in den vergangenen Wochen sehr eindrucksvoll bewiesen, dass sie in der Lage sind aufzuräumen. Deshalb braucht es eine schnelle Novelle der Staatsverträge, damit die Gremien ihrer Kontrollfunktion in Zukunft gerecht werden können. Der RBB hat eine Intendanz verdient, die die Wogen glättet und die strategische Ausrichtung des Programms ernst nimmt. Der RBB darf nie wieder für die Verschwendung von Rundfunkbeiträgen stehen.

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Aber er braucht gleichwohl die nötigen Mittel, um den vielen Aufgaben gerecht zu werden. Die Politik hat dabei eine besondere Verantwortung: Wir sind es, die den Menschen erklären müssen, dass der Rundfunkbeitrag die Grundlage für den staatsfernen, neutralen und unabhängigen Rundfunk sind. In vielen europäischen Ländern stehen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Gebührenfinanzierung bereits unter Druck und werden neu strukturiert. Die Gebührenfinanzierung bildet jedoch die Grundlage der Staatsferne. Niemand möchte in einer Medienlandschaft à la Rupert Murdoch und Fox News leben. Gerade deshalb müssen Verleumdungs-Formeln von Rechtspopulisten wie Lügenpresse und Zwangsgebühren zurückgewiesen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk gestärkt werden, gerade deshalb muss sich aber auch viel verändern. Wir werden als Politik nicht drumherum kommen, einen genaueren Blick auf die Rolle und den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu werfen und sie bei der Transformation eng zu begleiten. Denn bei aller Kritik -- sie könnte kaum wichtiger sein.