Berlin. Mozart pur an diesem Abend bei den Philharmonikern. Und zwei Mittdreißiger-Debütanten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Da ist der Dirigent Maxim Emelyanychev, ein junger Wilder – egozentrisch, gestenreich, mit endlos langen Armen. Und da ist die französische Sopranistin Sabine Devieilhe, wohlerzogen und anmutig. Ausgestattet mit einer lieblichen, zierlichen Stimme, der man sehr gern zuhört.
In vier Sprachen singt Devieilhe nacheinander, auf französisch und italienisch, auf deutsch und lateinisch. Aber eigentlich ist das egal, denn Devieilhes Interpretationen leben weniger von der Sprache als vielmehr vom Klang an sich. Besonders berührend: ihre Piano- und Pianissimo-Kultur in der Idomeneo-Arie „Zeffiretti lusinghierie“ und im „Et incarnatus est“ aus Mozarts c-Moll-Messe, KV 427. Die Philharmoniker begleiten die Sopranistin einfühlsam und zurückhaltend. Ohne Streicher-Vibrato, mit anschmiegsamen Holzbläsern. Und in sehr kleiner, historisch informierter Streicherbesetzung, inklusive drei Kontrabässen und nur acht Ersten Geigen.
Die Musik bekommt auch etwas Mechanisches
Wie ein Originalklang-Ensemble lässt Emelyanychev die Philharmoniker spielen. Ein Originalklang-Ensemble, das an Il pomo d’oro erinnert – jene Barock-Truppe, die der Russe seit 2018 leitet. Doch auch Teodor Currentzis kommt einem in den Sinn, vor allem bei der Figaro-Ouvertüre und in der „Prager“ Sinfonie KV 504. Und das nicht nur, weil Emelyanychev wie ein Guru wirkt. Es ist auch Currentzis‘ Mozart-Ästhetik, die streckenweise hörbar wird. Die überdrehte Virtuosität beispielsweise in den schnellen Sätzen. Oder auch die Überbetonung der Eins und Drei, was der Musik etwas Perkussives, Mechanisches verleiht. Der Vorteil: Effektgeladen und mitreißend wirkt dieser Mozart.
Problematisch sind Emelyanychevs heftig treibende Tempi, die kaum auf die Saalakustik Rücksicht nehmen. In den ersten beiden Sätzen der „Prager“ Sinfonie dagegen vermag er weitestgehend zu überzeugen. Weil er sie mit viel Klangfantasie und musikalischer Intelligenz gestaltet. Und weil er die Philharmoniker atmen lässt. Bemerkenswert auch, wie frisch und lebendig die Musiker Mozarts Serenade KV 239 vor der Pause spielen.