Alles wirkt höchst vertraut. Und doch ist hier nichts, wie es zunächst scheint. Die hochkarätig besetzte Krimikomödie „Knives Out – Mord ist Familiensache“ von Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson („Star Wars – Episode VIII“) atmet den Geist von Agatha Christie in vollen Zügen.
Und ist doch keine bloße Hommage an die Großmeisterin der klassischen Wer-ist-der-Mörder-Geschichten, sondern ein hochkomödiantischer, bissiger und auf kluge Weise vertrackter Blick auf die amerikanische Gesellschaft von heute.
Daniel Craig muss Licht ins Dunkel bringen
Just an seinem 85. Geburtstag, den er gerade noch mit seiner exzentrischen Familie auf dem mit spätviktorianischem Kitsch vollgepackten Anwesen gefeiert hat, scheidet Bestsellerautor Harlan Thrombey (Christopher Plummer) aus dem Leben.
Mit durchschnittener Kehle liegt er in seinem verschlossenen Zimmer, das Rasiermesser noch in der Hand. Der Tod des Familienpatriarchen gibt Rätsel auf. Selbstmord oder Mord? Die Frage steht im Raum. Und es ist an Meisterdetektiv Benoit Blanc (großartig: Daniel Craig), Licht ins Dunkel zu bringen.
Während der wenig charmante Familienclan der Testamentseröffnung harrt, macht sich „die letzte der Gentleman-Spürnasen“ gemeinsam mit den Polizeibeamten Elliott (LaKaith Stansfield) und Wagner (Noah Segan) an die Ermittlung. Ein unbekannter Auftraggeber hat ihn engagiert. „Ich vermute Fremdeinwirkung“, erklärt Blanc seine Anwesenheit. „Und ich habe noch keinen der Verdächtigen ausgeschlossen.“
Eine unheimlich zerstrittene Familie
Und derer gibt es jede Menge. Denn kein Mitglied dieser snobistischen Familienbande kann ein lückenloses Alibi vorweisen. Weder der den familieneigenen Verlag leitende Ransom Drysdale (Chris Evans) noch seine Eltern Linda (Jamie Lee Curtis) und Richard Drysdale (Don Johnson).
Weder Lindas Bruder Walt Thrombey (Michael Shannon) noch seine extravagante Ehefrau Joni (Toni Collette). Ohnehin sind sie untereinander heillos zerstritten. Das einzige, was diese Gemeinschaft eint, ist die Gier nach dem üppigen Erbe.
Die Lösung ist aufs Höchste überraschend
Tatkräftige Unterstützung bekommt Blanc von Thrombeys lateinamerikanischer Pflegerin Marta (Ana de Armas). Sie war die einzige Vertraute des alten Herrn. Und sie hat eine für Blanc hilfreiche Eigenschaft: Sie kann nicht lügen. Denn immer, wenn sie es tut, muss sie sich übergeben. Dadurch kommt der durchaus an Hercule Poirot gemahnende Detektiv der Lösung Stück für Stück näher. Und die ist nach all den ausgelegten Finten und Fährten noch einmal aufs höchste überraschend.
Dabei ist man als Zuschauer dem Ermittler immer einen Schritt voraus. Denn während die Familienmitglieder beim Verhör das Blaue vom Himmel lügen, sieht man in Rückblenden den wahren Hergang ihrer Erzählungen. Und erfährt auch, dass das Opfer eine abgrundtief boshafte Ader hatte.
Star-Wars-Regisseur auf Agatha Christies Fährte
Wenn er etwa droht, seine geldgierige Brut zu enterben. Oder seinen Enkel und Jungverleger Ransom als Loser abkanzelt, der es nie geschafft hat, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.
Rian Johnson schafft es, mit satirischem Biss immer wieder Erwartungshaltungen platzen zu lassen. Er zeigt eine zutiefst verkommene Ansammlung selbstgefälliger Emporkömmlinge, deren Scheinheiligkeit mehr und mehr entblättert wird. An „Knives Out – Mord ist Familiensache“ stimmt wirklich alles. Die Dialoge sind geschliffen und pointiert. Die Ausstattung ist von opulenter Pracht, samt einer riesigen, irrwitzigen Messerinstallation mitten im Salon.
Und das star-gespickte Ensemble ist von erster Güte. Keiner spielt sich in den Vordergrund. Man spürt, welchen Spaß sie beim Spiel haben. Mit welcher Lust sie die messerscharfen Aperçus in den Raum werfen. Diese mehr als zwei Stunden vergehen wie im Flug und sorgen immer wieder für Überraschungen. Ganz großes Schauspielerkino.
„Knives Out“: der Trailer zum Film
Thrillerkomödie USA 2019 131 min., von Rian Johnson, mit Daniel Craig, Chris Evans, Ana de Armas, Jamie Lee Curtis