Hans Otto Theater

Lügen und Bourbon: „Die Katze auf dem heißen Blechdach“

| Lesedauer: 3 Minuten
Nils Neuhaus
Der trinkende Brick (Hannes Schuhmacher) und seine Frau Margaret (Nadine Nollau).

Der trinkende Brick (Hannes Schuhmacher) und seine Frau Margaret (Nadine Nollau).

Foto: Thomas M. Jauk

Regisseurin Steffi Kühnert inszeniert das Drama von Tennessee Williams am Potsdamer Hans Otto Theater in stimmungsvoller Kulisse

Dass Familienzusammenkünfte zur Entladung lang gegorener Differenzen führen können, ist gemeinhin bekannt. Es scheint in der Natur der Sache zu liegen. Kommen dann noch Alkoholismus, unterdrückte Sexualität und ein Erbe hinzu, entsteht eine explosive Mischung. Kein Wunder also, dass Tennessee Williams‘ Drama „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ seit seiner Uraufführung 1955 keinen Staub angesetzt hat.

Die Familienstreitigkeiten, die am Freitag bei der Premiere im Potsdamer Hans Otto Theater auf der Bühne zu sehen sind, wirken zeitlos. Unter der Regie von Steffi Kühnert kommt das Stück zudem sehr atmosphärisch daher. Grillenzirpen und Schilf im Bühnengraben helfen dabei, sich in den warmen Südstaatenabend einzufühlen, über den sich die Handlung erstreckt.

Ein fahriger Alkoholkranker

Regisseurin Kühnert ist den meisten Leuten schon lange als Schauspielerin bekannt, zum Beispiel durch ihre Rolle im Schwarzwald-„Tatort“. Ihr Regiedebüt gab sie 2017 in Schwerin. Die Inszenierung der „Katze auf dem heißen Blechdach“ bringt sie weitgehend textgetreu auf die Bühne und schafft damit das glaubwürdige Porträt einer Familie im Mississippi-Delta, deren Mitglieder sich durch ein Geflecht aus Lügen und Selbstbetrug bewegen.

Das Drama konzentriert sich ganz auf die Spannungen innerhalb der Familie, deren Patriarch Big Daddy (Jörg Dathe) mithilfe von Baumwollplantagen zu Reichtum gelangt ist. Als Anlass für die Zusammenkunft dient Big Daddys Geburtstag, und während der erstgeborene Sohn Gooper (Jan Hallmann) nur auf das Erbe des kranken Vaters lauert, betäubt sich sein zweiter Sohn Brick (Hannes Schumacher) mit Alkohol.

Grund für Bricks Alkoholismus ist der Tod seines Jugendfreunds Skipper. Eine dysfunktionale Dreiecksbeziehung mit seiner Frau Margaret (Nadine Nollau) und die Verleugnung homoerotischer Spannungen zwischen Skipper und ihm erfüllen Brick mit Selbstekel. Grandios verkörpert Schumacher den fahrigen Alkoholkranken mit dem erinnerungsschweren Blick, der sein Leid unablässig mit Bourbon begießt.

Ebenfalls authentisch zeigt sich das tiefe Unglück seiner Frau Margaret, nur stellenweise verleiht Nollau der Figur eine etwas unpassende Selbstsicherheit. Margaret plagt die Kinderlosigkeit ihrer Ehe. Auf dem Familienfest wird ihr daher die Anwesenheit der kleinen Nichten und Neffen, die altersgemäß besetzt durch das Bühnenbild von Joachim Hamster Damm toben, schnell unerträglich.

Das stimmungsvolle Bühnenambiente besteht vor allem aus der runden Glasfront eines Herrenhauses, deren Drehbarkeit dafür sorgt, dass der Betrachter sich abwechselnd inner- und außerhalb des Domizils wiederfindet. Davor ragt ein Steg über das Schilf im Bühnengraben bis vor die ersten Reihen. Besondere Freude macht neben der eindrucksvollen Kulisse auch das Spiel von Dathe als Big Daddy. Man kauft ihm den arrivierten Südstaatler, den er mit Panamahut und herzlicher Überheblichkeit mimt, sofort ab.

Kleine Gesten und Pausen

Nur wenn eine große Personenzahl auf der Bühne agiert, wird das Stück zuweilen fad. Dann kippt, was eigentlich Komik sein sollte, gelegentlich in Albernheit. Herausragend ist die Inszenierung hingegen, wenn auf der Bühne ein Zwiegespräch zu sehen ist. Dann wird die Spannung zwischen den Figuren durch viele kleine Gesten und Pausen spürbar, so dass man zugunsten dieser feinen Nuancen auch mal den Atem anhält.

Hans Otto Theater, Schiffbauergasse 11, 14467 Potsdam. Kartentelefon: 0331/9811-8. Nächste Vorführungen: 29.9. (18 Uhr), 5.10. (19.30 Uhr).