Vladimir Jurowski dirigiert die Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten“ konzertant unter Jurowski in der Philharmonie
Am Schluss vom Eröffnungswochenende des Musikfests in der Philharmonie spielt das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) unter seinem Chef Vladimir Jurowski Richard Strauss’ Riesenoper „Die Frau ohne Schatten“. Die Bewältigung dieser Partitur, einer der sicherlich schwierigsten in der Opernliteratur überhaupt, ist ein Kraftakt für sich – das programmatische Band zum Musikfest ist da nur noch locker geknüpft.
Es macht aber nichts, wenn Jurowski an diesem langen Abend vor allem das RSB profiliert, denn dies tut er mit aller Macht: Für die Gesangssolisten wurden offenbar kaum Kosten gescheut, und man hat aus der internationalen Strauss-Sängergarde jene bekommen, die man als die Besten ihres Fachs bezeichnen kann. Ricarda Merbeth singt die sexuell unzufriedene Färbersfrau, die ihren Mann demütigen will und sich dazu überreden lässt, ihren Schatten – der steht in dem Stück für Gebärfähigkeit – an die elfengestaltige Kaiserin zu verkaufen. Merbeth schafft es vielleicht als einzige Sängerin weltweit, dieser hochdramatischen bis hysterischen Partie einen tonlichen Lyrismus, eine Zartheit der Diktion selbst noch im wüstesten Fortissimo abzutrotzen. Das ist unglaublich und im Psycho-Chaos von Hofmannsthals symbolistischem Libretto auch unglaublich schön.
Übertitel wären vorteilhaft gewesen
Merbeth gegenüber steht die Kaiserin der Anne Schwanewilms, die das Ätherische dieses Fabelwesens gleichermaßen zum Ausdruck bringen kann wie deren unbedingten Willen, Mensch zu werden. Schwanewilms lyrischer Sopran hat in seiner Reifezeit eine Griffigkeit erlangt, die keinen Ton, keine feine Regung dieser Partie untergehen lässt. Mit warm leuchtendem Bariton erfüllt Thomas J. Mayer die Partie des Färbers Barack. Tenor Torsten Kerl stattet die ohnehin von Strauss fast konzertant undramatisch gedachte Rolle des Kaisers durchschlagskräftig und mit Schmelz aus.
Das Orchester stellt seinen edlen Klang auch in den dreckigsten, geräuschähnlichen Passagen unter Beweis, arbeitet sich mit Freude durch sinfonische und kammermusikalische Details. Am Ende indes erbringt der künftige Münchner Opernstar Jurowski nur zu zwei Dritteln den Beweis, dass dieses hundertstimmige Stück auf dem Konzertpodium an Informationswert gewinnt. Bei der ganzen kostspieligen Personnage hätte das RSB auch gerne noch ein paar Tausender draufschlagen können, um dem Publikum Simultan-Übertitel des schwierigen Hofmannsthal-Librettos zu gönnen. Man mag noch so viel proben – für die Endwahrnehmung sind solche profanen Dinge entscheidend. Publikum und Künstler würden jenseits der bannenden Musik gleich noch zum Nachdenken darüber angeregt, was für ein reaktionäres Frauenbild da bei Strauss und Hofmannsthal Urständ feiert.