Neu im Kino

Natalie Portman brilliert als überspannter Popstar

| Lesedauer: 4 Minuten
Peter Zander
Celeste (Natalie Portman) ist ein Superstar, der in seinen Konzerten weltweit gefeiert wird. Aber dahinter verbirgt sich eine tragische Figur.

Celeste (Natalie Portman) ist ein Superstar, der in seinen Konzerten weltweit gefeiert wird. Aber dahinter verbirgt sich eine tragische Figur.

Foto: Kinostar

Das verstörende Drama „Vox Lux“ will viel: von Abgründen der Musikindustrie erzählen und vom Terror. Dabei verheddert er sich aber.

Manche haben es ja schon immer gewusst. Popmusik ist Teufelswerk. Und am teuflischsten – da würden auch viele nicken, die dort arbeiten – ist die Musikindustrie. Weil sie ihre Stars auspresst, deformiert und ihrer ursprünglichen Identität beraubt. Diese düstere Sicht unterstreicht nun auch das verstörende Drama „Vox Lux“.

Dabei geht Regisseur Brady Corbet indes noch einen gewagten Schritt weiter, weil er allen Ernstes einen Zusammenhang zwischen der kühl kalkulierten Popbranche und Gewalttaten wie Amokläufen und Anschlägen zieht. Die Geburt des Terrors aus dem Geiste der Musik quasi.

Erste Eindrücke: der Trailer zum Film

Am Anfang steht ein Schock. Spröde Bilder zeigen quasi-dokumentarisch einen Schulalltag an einer amerikanischen High School. Bis plötzlich ein Schüler in die Klasse tritt und mit einem Gewehr um sich schießt. Die 13-jährige Celeste (Raffey Cassidy) will ihn aufhalten, wird aber ebenfalls getroffen.

Die Szene spielt 1999, die Anlehnung an das reale Massaker an der Columbine High School in jenem Jahr ist offensichtlich. Auch, was die anschließende Huldigung der Überlebenden angeht.

Celeste nämlich, die nur mühsam ins Leben zurückfindet, singt bei einer Gedenkveranstaltung der Schule ein Lied, das ihre Schwester für sie komponiert hat: „Wrapped Up“. Und rührt damit, weil die Veranstaltung im Fernsehen übertragen wird, die ganze Nation. Als Stimme der Unschuld. Als titelgebende göttliche Stimme. Als globaler Superstar.

Die Unschuld wird zur Zicke

Dann ein Zeitsprung um 18 Jahre. Und ein weiterer Schock. Aus dem Teenager ist ein Popstar geworden. Aber auch eine Diva voller Allüren, deren Ruf nach reichlich Drogeneskapaden und einem selbstverschuldeten Autounfall schwer angeschlagen ist und die nun ein Comeback starten will. Just zu einer Zeit aber, als im fernen Europa Terroristen um sich schießen. Und dabei silberne Masken tragen, wie Celeste dies in ihrem allerersten Pop-Videoclip tat.

Der Film springt immer wieder in den Zeitebenen. Er rekapituliert Celstes Leben anhand von historischen Zäsuren wie dem 11. September 2001. Und Willem Dafoe gibt aus dem Off kühle Kommentare über den Zeitgeist.

Alles verkehrt sich ins Gegenteil

Natalie Portman, die die erwachsene Celeste mit Lust als überspanntes, launisches Wesen spielt, wird dabei immer wieder ihre junge Tochter (ebenfalls Raffey Cassidy) gegenübergestellt, als Spiegelbild und Kontrapunkt: die Unschuld, die sie einst war – und die sie längst verloren hat.

Alles hat sich verkehrt. Als Celeste zu Beginn ihrer Karriere einen Musiker kennenlernt, meint sie noch, solche Musik, wie er sie spielt, hätte ihr Amokläufer auch gehört. Nun lassen sich Attentäter von ihrer Musik inspirieren.

Brady Corbet hat als Schauspieler unter anderem mit Lars von Trier und Michael von Haneke gearbeitet. Deren ungeschönten, kühl analysierenden Stil übernimmt er auch als Regisseur. Geht aber in seiner Gesellschaftskritik entscheidend weiter.

Corbets Regiedebüt „Childhood of a Leader“ handelte 2015 von einem jungen Mann, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Gräuel seiner Epoche erlebt – nur um dann als (fiktiver) Diktator die nächsten Gräuel selbst zu verursachen.

Der Film will viel. Zu viel

„Vox Lux“ erzählt nun eine ganz ähnliche Geschichte vom Ende einer Unschuld am anderen Ende des Jahrhunderts. Als Abrechnung mit der Musikindustrie greift sein Zweitling allerdings zu kurz, und als Gesellschaftsanalyse oder gar Reflektion über globalen Terror bleibt er viel zu vage und spekulativ.

„Vox Lux“ besticht einzig durch die Songs, die die Popsängerin Mia eigens für den Film geschrieben hat. Und durch die brillante Darstellung von Natalie Portman, die hier ihre stärkste Leistung seit „Black Swan“ vorlegt. Mit der spielt sie allerdings alle anderen Darsteller an die Wand, und die ist so schmerzhaft, dass man sie kaum erträgt. Freilich geht es dem Film ein wenig wie seiner Hauptfigur. Er verliert den anfangs klaren Blick und verheddert sich im Bombast jener Industrie, die er doch kritisieren will.

Drama USA 114 min., von Brady Corbert, mit Natalie Portman, Jude Law, Raffey Cassidy