Ludovico Einaudi spielt in der teuer ausverkauften Philharmonie (bis zu 100 Euro das Ticket). In welche stilistische Ecke gehört dieses seidenweiche Klavierspiel, das über zwei Stunden mit einer einzigen Stimmungslage und weitgehend ohne greifbare musikalische Gedanken auskommt?
Einaudi selbst lässt sich gerne Minimalist nennen. Das stimmt, wenn man seine Ähnlichkeit zu US-Komponist Philip Glass bedenkt. Der wird mit seinen obsessiv kreisenden Wiederholungen allerdings oft nicht nur als Minimalist, sondern auch als Scharlatan bezeichnet.
Ludovico Einaudi sollte man vielleicht vor allem als künstlerisch ängstlich bezeichnen, zu ängstlich. Der Neo-Klassik-Star legt musikalisch kein Bekenntnis ab – nicht mal dazu, dass die eigene Anwesenheit auf dem Podium wirklich für den Abend entscheidend ist.
Zwischen Fahrstuhlmusik und Teenager-Geklimper
Bereits als das Publikum den Saal betritt, schallen von der Bühne die sanften Klavierklänge, wenn auch noch ohne Streicherzugabe. Die liefern dann zwei namenlos bleibende junge Musiker an Violine und Cello.
Einaudi seinerseits wiederholt in der ersten Nummer über eine Strecke von etwa 15 Minuten eine Folge von vier Akkorden, die ein bisschen an „Spiel mir das Lied vom Tod“, ein bisschen an Fahrstuhlmusik und ein bisschen an Klaviergeklimper eines melancholischen Fünfzehnjährigen erinnert.
An ersterbender Zartheit kann Musik auch ersticken, das lernt man hier. Eine Melodie gibt es nicht, das ist das Ängstliche daran. Eine Melodie erfinden und spielen – das heißt, sich vor den Augen und Ohren Anderer auf einen Turnbarren zu begeben und dort mit zielgerichtetem Schritt und doch in spielerisch gehaltener Balance einen sehr persönlichen Weg zu gehen, den die Zuhörerschaft nachzuvollziehen bereit ist oder nicht.
Auf den Spuren der Romantiker – angeblich
Ludovico Einaudi aber will niemandem zu nahe treten. Er gibt mit dem irgendwie träumerischen Gestus seiner Akkorde vor, auf den Spuren der Romantiker zu sein – die allerdings kannten Anfang und Ende ihrer jeweiligen Stimmung, fassten sie durch thematische Gedanken ein.
Nur durch Anfang und Ende, durch Unterscheidbarkeit, durch Kontraste gerinnen Gefühle in der flüchtigen Welt der Musik zu Tatsachen. Ludovico Einaudi will das nicht.