Berlin. Selma und Edgar haben den Sexualkundeunterricht geschwänzt, um auf dem Schulklo zu knutschen. Anni und Junis in der Kabine nebenan wollen Instantnudeln probieren. Alle vier glauben, mit zwölf Jahren schon alles über Sex zu wissen. Doch sie werden eines Besseren belehrt, als sie plötzlich in einem Adventure-Spiel landen. Und zwar inmitten einer Nacktschnecke. Eine Spielleiterin aus dem Off erklärt ihnen, dass sie mehrere Tests bestehen müssen, um aus der Schnecke herauszukommen. Auf Level eins sollen sie der Schnecke bei der Befruchtung helfen. Dabei türmt sich die erste Hürde vor ihnen auf: Ist das Tier eigentlich männlich, weiblich oder vielleicht beides zugleich?
Im Grips Podewil will Regisseurin Maria Lilith Umbach zeigen, wie Aufklärung 2019 aussieht. Und Kirsten Fuchs hat dazu mit „Das Nacktschnecken-Game“ ein Stück geschrieben, in dem quasi alles durchdekliniert wird, was mit Sex in der Pubertät zu tun hat.
Beherrscht wird die Bühne von sieben riesigen sackartigen Gebilden, die von der Decke baumeln. Die pulsieren schon mal wie lebendige Organe und bilden im Laufe des Stücks vom Herz bis zu den Geschlechtsteilen auch so ziemlich alles ab. Sie fungieren aber auch mal als mittelalterlicher Turm, in dem Selma (Katja Hiller) und Anni (Lisa Klabunde) einen Haufen frauenfeindlicher Zitate von Thomas von Aquin vorfinden.
Da sind sie schon auf Level zwei, auf dem sie sich selbst befreien sollen. Edgar (Marius Lamprecht) und Junis (Jens Mondalski) kämpfen derweil mit einem Gewehr gegen Ritter. Typisch Jungs eben. Nur, dass Edgar auf einmal nicht mehr mitmachen möchte. Stattdessen entdecken die beiden erst ihre Körper, dann einander. Schließlich wollen sie die Mädchen aus dem Turm befreien.
Dafür müssen sie sich als Passwort hundert Synonyme für die Geschlechtsmerkmale ausdenken. Sie dürfen dabei richtig obszön werden, alles mal rauslassen. Danach lachen sie nicht mehr beim Wort „Geschlechtsorgane“.
Die Jugendlichen testen verschiedene Geschlechtsidentitäten und -wahrnehmungen aus. Egal, ob Hormon-Tsunamis, die Periode, der Samenerguss, die Inszenierung reißt alles, was Teenager wissen wollen, kurz an. Und gibt flache Erklärungen von ein, zwei Sätzen. In die Tiefe geht nichts. Bei all der Sprücheklopferei kommt die sprunghafte Entwicklung der Vier zum Ende hin nicht gerade glaubwürdig daher. Es bleibt einfach zu viel an der Oberfläche. Aufklärung im Schnelldurchlauf funktioniert eben weder auf der Bühne noch im richtigen Leben.
Grips Podewil, Klosterstr. 69, Mitte. Tel. 397 47 40. Nächste Termine: 30.4., 2.5., 14.05., 15.05. um 10 Uhr, 5.6. 18 Uhr