Bühne

Alte Bekannte, gute Gefühle beim Theatertreffen

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Stefan Kirschner
Wie gemalt: Szene aus „Das Internat“. Regisseur Ersan Mondtag ist zum dritten Mal beim Theatertreffen dabei.

Wie gemalt: Szene aus „Das Internat“. Regisseur Ersan Mondtag ist zum dritten Mal beim Theatertreffen dabei.

Foto: Rottstr.5 / Schauspiel Dortmund / Birgit Hupfeld

Die zehn eingeladenen Inszenierungen stehen fest: Aus Berlin sind die Sophiensäle, das Hebbel am Ufer und das Deutsche Theater dabei

Berlin. Ein bisschen was von einer Leistungsschau hat das Berliner Theatertreffen ja schon, auch wenn sich da schnell unpassende Vergleiche mit der Grünen Woche aufdrängen. Um die Arbeitsnachweise der siebenköpfigen Jury – aktuell ganz zeitgeistig mit vier Frauen und drei Männern besetzt – braucht man sich keine Gedanken zu machen: 418 Inszenierungen in 65 Städten im deutschsprachigen Raum, also einschließlich Österreich und eines Teils der Schweiz, wurden begutachtet. Die „zehn bemerkenswertesten“ Stücke, dieses Auswahlkriterium bietet genügend Raum für Interpretationen, werden nach einer achtstündigen Abschlusssitzung ausgewählt. Und am Mittwoch im Haus der Berliner Festspiele verkündet.

Berlin ist mit drei Arbeiten vertreten, allesamt Koproduktionen. Darunter sind, und das ist schon mal bemerkenswert, zwei Inszenierungen aus dem Off-Theater-Bereich. Also Aufführungen, die nur dann zu realisieren sind, wenn genügend Kooperationspartner dabei sind, um die Finanzierung zu sichern. In „Oratorium“, einer kollektiven Andacht zu einem wohlgehüteten Geheimnis, so der Untertitel der Arbeit von „She She Pop“, geht es um Erben und Eigentum, um die Verteilung der Güter und damit verbundene Verwerfungen. Premiere hatte das Stück im Hebbel am Ufer (HAU).

Für She She Pop, deren „Testament“ mit dem Friedrich-Luft-Preis 2010 von der Berliner Morgenpost ausgezeichnet wurde, ist es die zweite Einladung zum Theatertreffen – und dazu passend bekommt das Theaterkollektiv, das sechs Frauen und ein Mann bilden, auch den im Rahmen des Treffens verliehenen diesjährigen Theaterpreis Berlin.

Vom „Tatort“ auf die Theaterbühne

Erstmals dabei ist Thorsten Lensing, ein medienscheuer Regisseur, der nur alle Jubeljahre eine Inszenierung realisiert, dafür aber immer sehr gut besetzt. Er erhielt den Friedrich-Luft-Preis 2014 für „Karamasow“. Die neue Produktion „Unendlicher Spaß“ nach dem Roman von David Foster Wallace, hatte in den Sophiensälen Premiere. Auf der Bühne stehen unter anderem Devid Striesow, der sich am vergangenen Sonntag als Saarbrücker „Tatort“-Kommissar verabschiedet hat, Schaubühnen-Star Ursina Lardi und Sebastian Blomberg („Zeit der Kannibalen“).

Das Berliner Trio komplett macht das Deutsche Theater mit „Persona“, einer Koproduktion mit dem Stadttheater Malmö, bei der Corinna Harfouch und Karin Lithman ihre Rollen je nach Aufführungsort wechseln, eine davon ist stumm. Regisseurin Anna Bergmann stellt „Ingmar Bergmans Experimentalfilm nach – und macht ihn zu einer psychologischen Tiefenschürfung weiblicher Identität“, begründete die Jury ihre Wahl, die eine echte Überraschung war. Anna Bergmann, seit Beginn dieser Spielzeit Schauspieldirektorin am Badischen Staatstheater Karlsruhe, sorgte mit ihrer Ankündigung, ausschließlich Frauen Regie führen zu lassen, für Diskussionen.

Nach 2016 und 2017 bereits zum dritten Mal dabei – und damit schon ziemlich etabliert – ist Ersan Mondtag. Der Berliner Regisseur, Bühnen- und diesmal auch Kostümbildner präsentiert gewohnt bilderstark „Das Internat“. Eine „optisch spektakuläre Welt-Entrückung, die Mondtag aus Pappmaché und naiven Zeichnungen als Gothic-Geisterbahn am Schauspiel Dortmund erschafft: Angsträume, die wir uns nicht in kühnsten Albträumen ausmalen möchten“, so die Jury.

Kandidaten für die Volksbühnen-Intendanz

Möglicherweise ein Kandidat für die vakante Volksbühnen-Intendanz. Es mangelt Mondtag nicht an Selbstbewusstsein, seine fehlende Erfahrung mit der Leitung eines großen Theaters könnte ein Problem sein. Die kann dagegen der Dortmunder Intendant Kay Voges bieten, der sein Haus in der ersten Bühnenliga etabliert hat, ein Freund innovativer Theaterformen ist und auch schon zum Festival eingeladen wurde.

Gleich mit zwei Inszenierungen ist das Staatsschauspiel Dresden beim Theatertreffen (3. bis 19. Mai 2019, der Vorverkauf startet am 20. April) dabei: Beide Stücke basieren auf Romanvorlagen: Regisseur Sebastian Hartmann, der regelmäßig auch am Deutschen Theater (DT) arbeitet, hat „Erniedrigte und Beleidigte“ des russischen Schriftstellers Fjodor M. Dostojewski dramatisiert. Und Ulrich Rasche, der demnächst sein Debüt am DT gibt, wurde mit „Das große Heft“ nach dem Roman von Ágota Kristóf eingeladen. Zwei Regisseure, die ebenso wie Mondtag für starke Regiehandschriften stehen.

Außerdem eingeladen: das zehnstündige Antikenprojekt „Dionysos Stadt“, das Christopher Rüping an den Münchner Kammerspielen realisiert hat. „Hotel Strindberg“, eine Überschreibung von Simon Stone (Burgtheater Wien/Theater Basel), „Girl From The Fog Machine Factory“ von Thom Luz (Gessnerallee Zürich) und „Tartuffe oder das Schwein der Weisen“, eine Komödie von Peter Licht nach Molière, von Claudia Bauer am Theater Basel inszeniert. Eine spannende Auswahl.

Das Festival

Das 56. Berliner Theatertreffen findet vom 3. bis 19. Mai statt. Nachdem die siebenköpfige Jury am Mittwoch ihre Auswahl präsentiert hat, soll der Spielplan für die diesjährige Ausgabe des Festivals am 5. April veröffentlicht werden. Zum Auftakt gibt es in der Regel eine Produktion aus einem renommierten Haus, die den Abend längenmäßig nicht sprengt. Der Vorverkauf beginnt am Ostersonnabend, dem 20. April.