Berlin. Die ersten Takte klingen noch richtig experimentell. Das Licht wirkt dabei, als würde gleich eine Avantgarde-Ausstellung eröffnet. Doch dann erscheint der Schriftzug „Mary Roos“ auf der Bühne und es wird musikalisch lässig. Ein Mix aus jazzigem Bigband-Sound, Pop und Schlager zu Beginn mit dem Up-Tempo-Song „Ich wär bei mir geblieben“.
Die Grande Dame des Schlagers ist glücklich, im Admiralspalast zu sein, und verspricht scherzend vor dem zweiten Song: „Ich komme nicht mit einem Trapez von der Decke geflogen, sondern mache Musik.“ Und mit ihrer ersten französischen Single „Amour toujours“ im beschwingten Easy-Listening-Gewand löst sie das Versprechen umgehend ein. Schließlich feierte die Sängerin von 1971 bis 1977 viele Erfolge in Frankreich, trat seinerzeit unter anderem im Pariser „Olympia“ auf.
Vor wenigen Wochen noch tourte Mary Roos mit dem Kabarettisten Wolfgang Trepper und dem Programm „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“ rund um den deutschen Schlager durchs Land. Jetzt direkt im Anschluss präsentiert sie in Berlin den Auftakt ihrer aktuellen Tour zum neuen Album „Abenteuer Unvernunft“. Mit vielen modernen Liedern und neu arrangierten alten Hits. Ihr lakonischer Kommentar dazu: „Andere gehen in Rente. Ich gehe auf Tour.“
Musik begleitet Mary Roos von Kindesbeinen an. Geboren 1949 in Bingen als Rosemarie Schwab, startete die Wahl-Hamburgerin bereits mit neun Jahren als Kinderstar durch, hatte später eigene TV-Shows, war Stammgast in der „Hitparade“. Im Laufe ihrer Karriere sang sie neben eigenen Hits auch erfolgreich zahlreiche Coverversionen von Frank Sinatra über Cat Stevens und Modern Talking bis Cliff Richard.
Leicht ist es Mary Roos nicht gefallen, die Songs für diesen Abend zusammenzustellen. Sie stand in ihrer 60-jährigen Karriere nämlich mit über 600 Titeln auf der Bühne. Deshalb darf sich das Publikum auch über manches Medley freuen. So geht es etwa mit Evergreens wie „Schuld war nur der Bossa Nova“ bestens gelaunt zurück in die Sechziger.
Das schulterlange Blondhaar zum eleganten Pagenkopf gestylt, trägt Mary Roos zunächst ein schwarzweißes Kleid. Genauso wie ihre beiden Backgroundsängerinnen. Die bevorzugten Farben auch bei den Herren ihrer fantastischen siebenköpfigen Band, die in unterschiedlichsten musikalischen Genres zu überzeugen weiß. Mary Roos erzählt zwischen den Songs witzig und klug aus ihrem Leben. Etwa von ihren Erfahrungen als Mutter aus dem Showgeschäft. Dabei fragt sie gesanglich wehmütig mit ihrem unverwechselbaren Mezzosopran „Wo sind die vielen Jahre hin?“ Bebildert wird der Song mit privaten Fotos.
Der Blick zurück ist aber nicht nur persönlich. Auch beruflich lässt Mary Roos wichtige Stationen Revue passieren. So geht es ins Jahr 1976. Damals war die Sängerin der erste deutsche Stargast in der legendären „Muppet Show“.
Im Schlaghosen-Jahrzehnt feierte die heute 69-Jährige noch unzählige weitere Erfolge. Darunter ihren dritten Platz beim Grand Prix 1972 mit dem Chanson „Nur die Liebe lässt uns leben“, das sie selbstredend anstimmt. Erst in einem Medley, dann zusammen via Leinwand mit Mark Forster, dem diesjährigen Gastgeber von „Sing meinen Song“. Bei der letzten Staffel hat auch Mary Roos bekanntlich ihre Songs getauscht. Das Duett wird heftigst umjubelt von den Zuschauern, wie so viele Songs an diesem Abend. Dazu gehört natürlich auch der Charterfolg „Aufrecht geh’n“. Längst ein Schlager-Klassiker.
Aber Mary Roos schwelgt nicht nur in der Vergangenheit. Mit dem Liebeslied „Zu dir weit weg“, einem Cover des Mark-Foster-Songs, gibt sie sich musikalisch und textlich heutig. Ist ganz in der Gegenwart angekommen. Kein Wunder, dass unter den Zuschauern auch viele junge Gesichter zu finden sind. Sie alle begeistert Mary Roos mit einer Show, bei der einfach alles stimmt, und erweist sich als mitreißende Entertainerin. Ein wunderbarer Abend.