Konzert in Berlin

Suede liefern in Berlin die gute Art von Comeback

| Lesedauer: 3 Minuten
Sarah Borufka

Foto: Getty

Die Britpop-Pioniere „Suede” spielten in der ausverkauften Columbiahallle ein gespenstisch-schönes Konzert.

Berlin. Huch, Suede spielen ein bestuhltes Konzert? So der erste Gedanke beim Blick auf das Ticket. Klar, das aktuelle Album ist wesentlich ruhiger, epischer und orchestraler als das Frühwerk aus der ersten Ära der Band, vor dem Comeback im Jahr 2010. Für „The Blue Hour”, nebenbei bemerkt der perfekte Soundtrack für den Herbst mit der richtigen Mischung aus Drama und Melancholie, engagierten die Ex-Britpopper sogar die Prager Philharmoniker. Aber ob das ein Sitzkonzert rechtfertigt?

Es bleibt dann für genau zwei Lieder eines, ehe die Zuschauer in den ersten Reihen und dann auch alle anderen aufstehen. Am Ende tanzen die meisten vor ihren Stühle und streckenweise bricht sogar ein zaghafter Hüpfpogo aus.

Doch der Anfang ist noch zahm: Sänger Brett Anderson und seine Bandkollegen eröffnen den Abend hinter einem transparenten Vorhang, so dass man zunächst nur die Umrisse der Musiker erkennen kann. Die Bühne sieht aus wie eine Art gespenstisches Schattenkino, als Anderson beginnt zu singen. Das passt gut zu den ersten zwei Tracks des aktuellen Albums, „As One” und „Wastelands”, beides düstere und hypnotische Songs mit dieser schönen Art der Melancholie, die Suede auszeichnet.

Der Sound von Suede im Jahr 2018 ist weit weg von dem Britpop der 90er-Jahre, mit dem die Band berühmt wurde. Heute denkt man bei Britpop vor allem an Oasis und Blur, doch Suede waren die eigentlichen Wegbereiter des Genres. Ihr gleichnamiges Debüt-Album aus dem Jahr 1993 war das am schnellsten verkaufte Debüt-Album der britischen Musikgeschichte und wurde mit dem Mercury-Preis als bestes Album ausgezeichnet. Heute sind Suede weitaus weniger bekannt als ihre Genre-Kollegen, doch in den 90er-Jahren schwärmten hordenweise Frauen für den Mascara-tragenden Frontmann Anderson.

Es war ein rauschhafter Start – nicht nur im übertragenen Sinne. Anderson sorgte mit seinen Drogenexzessen für Schlagzeilen. Bei der Produktion des Albums „Dog Man Star” verkrachte er sich schließlich mit seinem Songwriting-Partner und Gitarristen Bernard Butler. Drei wenig erfolgreiche Alben später löste sich die Band eine Dekade nach Erscheinen ihres so erfolgreichen Debüts im Jahr 2003 dann auf.

Sieben Jahre später waren sie zurück, und das Publikum auf einmal sogar größer als in den 90er-Jahren. Suede war tatsächlich die Art von Reunion geglückt, die nicht nach verzweifelter Nostalgie und Wiederaufwärmen alter Erfolge schmeckt, sondern Spaß macht.

Das fällt auch in der ausverkauften Columbiahalle auf: Anderson genießt es sichtlich, sich auf der Bühne zu verausgaben. Er feiert an diesem Abend seinen 51. Geburtstag, und das sieht ziemlich gut aus. Immer noch rank und schlank, dunkelblaues Hemd, enge schwarze Jeans, tanzt er lasziv, springt über die Bühne, schwingt das Mikrofonkabel wie ein Lasso. Bei seinem Anblick ist man versucht, zu denken, dass Drogen vielleicht doch irgendwie konservieren. Rauschmittel waren auch namensgebend für zwei der großen Hits der Band, „Heroine” und „Animal Nitrate”, die natürlich auch an diesem Abend in der Setlist nicht fehlen. Das Publikum singt Anderson dann noch ein ziemlich schiefes Geburtststagsständchen. Der Abend endet mit „Life is golden” vom aktuellen Album, das, wie Anderson sagt, seiner Meinung nach der beste Song aus seiner Feder ist, mit dem er fortan jedes Konzert beenden will.