Tausende Berliner sahen sich „Lohengrin“ auf der Leinwand an
Bei Temperaturen über 30 Grad kann man so einiges tun: An den See fahren, Eis essen, im Schatten liegen – aber ins Kino gehen? Doch genau das taten Tausende Berliner am Mittwochabend. Zugegeben: Es gab nicht irgendeinen 0815-Hollywood-Schinken auf der großen Leinwand zu sehen. Vielmehr lockte die Übertragung der Wagner-Oper „Lohengrin“ so viele Besucher in die Kinos.
Insgesamt fünf Berliner Lichtspielhäuser – der Delphi Filmpalast, das Cinemaxx am Potsdamer Platz, das Kino International, der Cineplex Titan und der Cinestar im Sony Center – übertrugen die Oper leicht zeitversetzt am Premierentag aus dem Bayreuther Festspielhaus. Und kaum ein Kinosessel blieb leer – trotz der hochsommerlichen Temperaturen. Die Berliner Morgenpost hat Besucher im Delphi Filmpalast gefragt: Warum lieber Wagner im Kino als den Sommer im Freien?
„Ich bin heute extra aus Kopenhagen angereist, um mir die Übertragung anzusehen“, erzählte die Dänin Lone Marianne Lund Jensen. „Seit vier Jahren komme ich deshalb schon nach Berlin. Bayreuth ist zu weit weg und es wäre auch zu teuer für mich, dorthin zu reisen“, sagte sie weiter. „Und überhaupt ist es sowieso viel zu warm, um irgendetwas anderes zu machen als sich drinnen im Kühlen aufzuhalten“, sagte sie und verschwand im klimatisierten Foyer.
Auf der Terrasse vor dem Lichtspielhaus saßen die Besucher unter großen, schattenspendenden Bäumen. Herausgeputzt wie für einen richtigen Opernbesuch, schlürften sie kühlen Sekt oder Weißwein. Von den 673 Plätzen, die der Kinosaal der Wagner-Übertragung bot, waren am Mittwoch mehr als 640 belegt. Einer der Zuschauer war Claus Stabe. Er war einst in Leipzig ein Schüler von Neo Rauch, der dieses Jahr gemeinsam mit Rosa Loy für Bühne und Kostüm des „Lohengrin“ verantwortlich ist. Stabe sagt: „Das ist nicht Kino, sondern Oper.“ Für ihn war es keine Frage, dem Werk des Mentors so nah wie möglich zu kommen. „Und draußen ist es eh zu heiß. Wenn das Kino klimatisiert ist, bedeutet das für mich nur doppeltes Glück.“
Unter den Gästen war das Wetter das Gesprächsthema Nummer eins an diesem Abend – natürlich neben der Oper. Die Zuschauer, vor allem ältere Berliner, strömten vor der Gluthitze in das heruntergekühlte Kino. „Ich sehe mir die Oper wegen der Kostüme und des Bühnenbildes an. Eigentlich bin ich sonst eine Opern-Verächterin, aber das interessiert mich schon“, sagte die Berlinerin Ruth Jonckar. „Die Karten habe ich mir auch schon vor gefühlt 100 Jahren gekauft. Das stört mich heute nicht, dass ich einen Sommerabend draußen verpasse. Da kommen sicher noch ein paar mehr dieses Jahr.“