Berlin. Beim Spektakel „The Last Goodbye/Vibrant Matter“ im HAU 1 gerät vieles kryptisch – und die ganze Aufführung mit drei Stunden ist viel zu lang.
Es riecht nach Schokolade. Aber da ist keine Schokolade im HAU 1. Da stehen nur fünf Menschen auf der Bühne, sagen „Hi“ zum Publikum. Und verabschieden sich direkt wieder: „Bye“. Hinten winkt jemand minutenlang. Das machen sie später noch öfter, winken, „Hi“ und „Bye“ sagen und weil beides so ähnlich klingt, weiß man manchmal nicht, ob man einander gerade im Begrüßungs- oder im Abschiedsmodus begegnet. „The Last Goodbye/Vibrant Matter“ heißt der Abend, den Benny Claessens regieführend konzipiert hat, zur Schokolade kommen wir später auch noch.
Aber zunächst zu Benny Claessens. Der aus Antwerpen stammende Schauspieler und Performer ist nicht allzu oft in Berlin zu sehen, aber er hat viele Fans hier. Im Publikum saß etwa Regisseur Ersan Mondtag. Der hatte Claessens in seiner „Ödipus und Antigone“- Inszenierung am Gorki letztes Jahr als zappeligen Ödipus besetzt. Und beim diesjährigen Theatertreffen war er auch dabei, in Falk Richters Jelinek-Inszenierung „Am Königsweg“ vom Hamburger Schauspielhaus. Dafür erhielt der Schauspieler den Alfred-Kerr-Darstellerpreis. Claessens sei, so lobte Juror Fabian Hinrichs „in einem geradezu bedrohlichen Grade berührbar“.
Diese Berührbarkeit artikuliert sich beim Schauspieler Claessens oft überbordend. Beim Regisseur Claessens nun ist es, wie der in allerlei Richtungen wuchernde Abend zeigt, ebenfalls so, wiewohl er sich in diesem Fall als mit auf der Bühne stehender Performer (neben Melanie Jame Wolf, Rob Fordeyn, Shiori Tada und Parisa Madani) ungewohnt zurücknimmt. Das tut der Produktion, die mindestens so viel Tanz wie Performance ist und noch am wenigsten Theater, gut. Was hier transportiert wird, bleibt vage: Es geht um den Abschied von dem, was ist, vom Überkommenen, auch und vor allem von der Heteronormalität. All das wird mit schlotternden Gliedern zu Grabe getragen und dann feiern sie auf dem Gräberfeld ein Fest.
Nichts als Schokolade
Das beginnt direkt nach der Pause. Jetzt kommt die Schokolade ins Spiel. Die Einheitskleidchen haben sie eingetauscht in Kostüme mit historischer Anmutung. Einzeln bahnen sie sich einen Weg durch die Zuschauerreihen. Vor sich her tragen sie mit Schokolade überzogene Grabsteine. Auf der Bühne zeigt derweil Transgender-Performerin Parisa Madani die kurze Sequenz „Trans*people killed since April 2017“. Danach treffen alle wieder aufeinander, noch mehr Schoko-Kulissen werden aufgefahren. Sie betrauern die Trauer und feiern sie, kehren zum Ursprünglichen zurück. „I‘m a tree“ ist einer der wenigen Sätze, die hier überhaupt fallen, zweigwedelnd, so halbironisch. An der Rückwand hängt die meiste Zeit eine Leinwand, auf der in giftgrünen, nach unten auslaufenden Buchstaben ein einziges Wort steht: Relax.
Nicht ganz einfach bei der Spieldauer: Satte drei Stunden dauert das ausgiebig mit Musik angereicherte Spektakel, viel zu lang, mit zu üppigen Ausschweifungen, trotz allerlei Wiederholungen bleibt vieles kryptisch. Aber da, wo es aufgeht, da hat dieser Abend (neben einem pompösen Lichtkonzept von Rainer Casper) sogar ein paar schöne, kraftvolle und anrührende Momente.