Immer schön der Nase nach: Die Berliner Festspiele erkunden im Martin-Gropius-Bau eine „Welt ohne Außen“

    Augen zu, Nase auf. Plopp. Ein sanfter Hauch weht die Zuschauer an. Pardon: die „Zuriecher“, wie sie hier offiziell heißen. Es duftet blumig. Plopp. Das Meer! Ein Asia-Imbiss! Mit jedem Plopp feuert Wolfgang Georgsdorfs Geruchsorgel „Smeller 2.0“, bestehend aus Röhren wie auf einem Medusenhaupt und einer Art Riesen-Auspuff, Geruchsmoleküle ab. Und weil an jedem Aroma Erinnerungen hängen, zieht in knapp 15 Minuten ein ganzes Leben an einem vorbei. Manche der Anwesenden lächeln bewegt in sich hinein.

    Mittendrin im Kunstwerk sein statt ihm gegenüber, es einatmen, anstatt es aus der Distanz taxieren: Das ist, grob gesagt, das Konzept der 2016 gestarteten „Immersions“-Reihe der Berliner Festspiele. Für die Ausstellung „Welt ohne Außen – Immersive Räume seit den 60er-Jahren“ haben die Kuratoren Tino Sehgal und Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, im ersten Stock des Martin-Gropius-Baus einen unterhaltsamen Parcours geschaffen: So abstrakt und spröde der Titel klingt, so sinnlich und gesellig werden hier die Räume und Zeiten bespielt.

    Den Auftakt bilden historische In­stallationen wie Doug Wheelers Raum ohne Ecken und Kanten von 1969, angefüllt mit weißem Neonlicht und den Fragen: Wird hier das Licht zu greifbarem Stoff? Löst sich der Raum, oder löse ich mich gerade auf? Durch Werke wie diese kann man hindurchstreifen, wann immer man möchte. Sehr oft wird man aber auch auf gleich beginnende Filme oder Auftritte hingewiesen, man möge hereinkommen oder bitte noch kurz warten. Bänke stehen bereit. In Jeppe Heins „Moving Benches“ sind allerdings Motoren eingebaut, sie setzen sich in Bewegung, sobald man sich niederlässt. Hinsetzen, verrückt werden. Oder zu Cyprien Gaillards 3-D-Film „Nightlife“ hellwach träumen.

    Die Ankunft, das Ein- und wieder Auftauchen stehen für Oberender und Sehgal im Zentrum ihres Konzepts, und so gelingt hier der Perspektivwechsel ausgerechnet durch den Rückgriff auf die alte, zeitbasierte Dramaturgie von Anfang, Mittelteil und Ende. Eine im Gegensatz zu den Endlos-Loops musealer Videokunst, in die man meist mitten hineinplatzt, fast schon revolutionäre, auf die Konzentrationsfähigkeit erfrischend wirkende Rückbesinnung auf schöne Dinge wie Einladung, Verabredung und Vorführung. Einen „fürsorglichen Umgang“ mit dem Publikum verspricht denn auch Stephanie Rosenthal, Direktorin des Gropius-Baus. Ein ganzes Füllhorn von Workshops schüttet das Programm aus: Von Sonnenaufgangs-Beschwörungen für den „Body-Mind-Spirit“ über „tantrische Traditionen“ bis zum „Kartenlegen“ klingt das teilweise schon recht räucherstäbchenvernebelt. Erfreulich konkret lesen sich die Hinweise auf das, was man mitbringen soll: „eine Opfergabe“, „Schraubgläser und Alkohol (ca. 30 %)“ zur Anfertigung eines Suds nach einer Kräuterwanderung oder „bequeme Kleidung“ für den Eintritt „in eine Welt, in der man sich körperlich mit dem Anderen verknüpft“.

    Gropius-Bau, Niederkirchnerstr. 7, tägl. außer Di., 10–19 Uhr, bis 5. August.