Da vorn zünden Vermummte Möbel und Autos an, hier werden Transparente hochgehalten und etwas weiter hinten rücken schon Wasserwerfer näher. „Damit etwas Neues entstehen kann, muss das Alte zerstört werden“, sagt jemand und lacht. Das ist der Ausnahmezustand. Das ist Anarchie. Das ist Hamburg im Juli 2017. Da haben sich die Staats- und Regierungschefs der 20 größten Industrienationen zum Gipfel getroffen. Und während Merkel und Putin, Trump und Macron über Handelszölle und Terrorabwehr verhandeln, abgekanzelt von dem Rest der Stadt, demolieren Randalierer das Schanzenviertel, plündern Geschäfte und posieren für Selfies vor brennenden Autos. Jedenfalls sind die Fotos und Videos davon im Gedächtnis geblieben, wenig andere Perspektiven fanden Platz. Bis jetzt. Denn Regisseur Gernot Grünewald und sein Ensemble haben ein anderes Hamburg erlebt und daraus ein Stück gemacht. „Vier Tage im Juli – Blackbox G20“, das in der Box des Deutschen Theaters herauskam, erzählt die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven nach – unparteiisch, ungeordnet, leider auch ohne Antwort.
Knochenbrüche, Platzwunden, Bänderrisse. „Die Bullen sind auf Hetzjagd“, ruft jemand. Dann holt ein Polizist mit dem Fuß aus und tritt zu, der Demonstrant auf der Leinwand geht zu Boden. Elias Arens, Katharina Schenk und Caner Sunar, die sich zu dritt durch das Stück kämpfen, werfen sich auch nieder, immer wieder.
Dass er aus den Geschehnissen um den G20-Gipfel etwas auf die Theaterbühne heben wollte, das war Grünewald schon vor den Krawallen klar. Deswegen sind die drei Schauspieler im vergangenen Jahr nach Hamburg gefahren, zur Recherche vor Ort. Dass die drei mitten hineingeraten sind in die Ausschreitungen, das kommt dem Stück natürlich zugute. Atemlos und ein bisschen ratlos auch erzählen sie immer wieder von diesem Gefühl damals. Plötzlich vor einer Wand aus Polizeihelmen und Schlagstöcken zu stehen, hilflos zu sein.
Theater so eng an die Realität zu knüpfen, das gefällt Grünewald. 2011 hat er so den Körber-Preis für Junge Regie gewonnen. Sein Stück „Dreileben“ hat er aus Interviews mit Sterbenden gewebt. Dieses Mal geht es nicht so gut auf. Vielleicht war das Projekt auch zu ambitioniert. Denn was da in Hamburg geschehen ist, das ist eben nicht einfach zu beantworten. Polizisten, Aktivisten, Demonstranten und Krawallmacher, alle haben eine andere Antwort darauf. Aber der Abend bewegt sich nicht darüber hinaus, er bleibt dokumentarisch. Das wäre auf der Kinoleinwand besser aufgehoben. Im Theater, diesem Raum der Geschichten, zerfasert dieses Konvolut an Stimmen.
Box des Deutschen Theaters, Schumannstr. 13a. Termine: 25.5., 20 Uhr; 26.5., 19.30 Uhr