Natürlich prägt Sir Simon Rattle die laufende Philharmoniker-Saison in ganz entscheidendem Maße. Es ist eine Saison des feierlichen Rückblicks, eine Saison voller Favoritenstücke des scheidenden Chefdirigenten. Eine Saison aber auch, die als Hommage an einige Philharmoniker-Solisten und -Spielführer verstanden werden kann. Und zwar an jene Mitglieder, die außerhalb des Orchesters zurzeit keine intensive Solokarriere pflegen. Die ersten Bratschisten Máté Szűcs und Amihai Grosz beispielsweise, die sich bereits im Herbst mit Solokonzerten von Béla Bartók und William Walton präsentiert hatten. Anfang des Jahres folgte dann Noah Bendix-Balgley, erster Konzertmeister seit 2014, mit Virtuosem von Mozart und Saint-Saëns.
Und nun: Solo-Klarinettist Wenzel Fuchs, der neben seiner Philharmoniker-Tätigkeit vor allem als Pädagoge und Kammermusiker unterwegs ist. Und unmissverständlich kammermusikalisch ist auch Fuchs‘ Ton, den er in Mozarts spätem A-Dur-Klarinettenkonzert KV 622 kultiviert. Kammermusikalisch im Sinne von nobler Zurückhaltung und atmosphärischem Wohlklang. Es ist ein Klarinettenspiel, das sich sanft an die Philharmoniker schmiegt und eigentlich gar nicht solistisch sein möchte. Fuchs‘ bevorzugtes dynamisches Spektrum reicht dabei von zartestem pianissimo bis zu schlankem piano – ein Klarinettenflüstern, das vor allem den langsamen Mittelsatz zum kostbaren Hörgenuss macht. Und dies auch wegen der Philharmoniker, die natürlich um Fuchs‘ intime Qualitäten wissen und ihm ein edles, weiches Bett gewähren.
Weniger überzeugend allerdings die Orchestergestaltung in den Außensätzen. Und das muss wohl am Gastdirigenten Alan Gilbert liegen. Denn Gilbert scheint hier von den Philharmonikern nicht viel mehr als flächige Schönheit und gedämpfte Konversation zu verlangen. Gilbert bietet eine Mozart-Auffassung, die ganz aufs wohlig Harmonische abzielt und Mozarts kontrapunktische Künste verdeckt. Oder etwas allgemeiner gesagt: Es gibt Dinge in dieser Musik, die Gilbert entweder nicht wahrnimmt oder die ihm nicht so wichtig sind.
Und diesen Eindruck hat man leider auch bei Debussys „Images“ in der zweiten Konzerthälfte, bei jenem groß angelegten impressionistischen Dreiteiler, in dem Debussy seiner Spanien-Faszination freien Lauf lässt – ohne dieses Land freilich aus eigener Anschauung erlebt zu haben. Gilbert bleibt hier im Ungefähren. Er lässt die Philharmoniker in gedämpften Farben musizieren, ohne klar definierte Balance und ohne bildhafte Assoziationen. Nur in „Ibéria“, dem Mittelstück, das die Philharmoniker wie gewohnt am Ende spielen, blitzt die große Klasse der Musiker wirklich auf: Beflügelt von einem zauberhaften Oboen-Solo von Albrecht Mayer beginnt das übrige Orchester hier ebenfalls zu zaubern – und offenbart plötzlich eine Tiefe und Weite, die der Amerikaner Alan Gilbert von sich aus im Orchester nicht zu erzeugen vermag.