Columbiahalle

Liam Gallagher überzeugt in Berlin mit und ohne Oasis-Songs

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Johanna Ewald
Liam Gallagher (Archivbild)

Liam Gallagher (Archivbild)

Foto: pa/dpa/dpa-ZB

Liam Gallagher, ewig nölender Ex-Sänger von Oasis, neigt nicht zu Bescheidenheit. In der Columbiahalle gab er ein mitreißendes Konzert.

Berlin. Liam Gallagher würde niemals ein Solo-Album aufnehmen. „Ich bin doch kein Arsch“, twitterte er 2016 dazu. Ein Jahr später folgt das Debüt-Album des Briten, „As You Were“, bei dem ihm von einigen Songeschreibern geholfen wurde, da Gallagher bekanntermaßen nicht der stärkste Komponist ist. Das war immer die Aufgabe seines Bruders Noel. Und jetzt ist der Arsch auf Tour und spielt am Montagabend in der ausverkauften Columbiahalle.

Bei dem Jahre-andauernden Fehde der Brüder ist es umso verwunderlicher, dass er das Konzert eröffnet und beendet mit Songs der ehemals gemeinsamen Britrock-Formation Oasis - statt mit seinen eignen. Das wird erst nachvollziehbar, wenn man versucht, den Sänger zu verstehen. „Ich verstehe nicht, warum mich jetzt alle fragen, ob mein erstes Solo-Album eine Emanzipation ist. Blödsinn! Egal, in welcher Band ich gesungen habe, es ging doch immer nur um mich.“ Er sei schließlich, und da brauche es jetzt ja auch wahrlich keine verfluchte Diskussion mehr, der verdammt noch mal größte Rock’n’Roll-Sänger seiner Zeit, sagte er in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Wenn man das so sieht, kann man wohl auch Oasis-Songs so viel Gewicht geben.

Und so steht er fast bewegungslos da, den Kopf im Nacken, ein Bein entlastend, die Hüfte locker zur Seite, die Hände sind entweder hinter dem Rücken oder spielen Tamburin zu „Rock’n’Roll Star“. Ab der ersten Strophe singt das Publikum begeistert mit. Manchmal ist das fast etwas schade, weil es so laut ist, dass man Gallagher kaum hört. Aber zumindest kann man sich nicht über schlechte Stimmung beklagen. Nach zwei Oasis-Songs folgen fünf Liam-Songs. Interessanterweise fügen sie sich perfekt ein. Insbesondere „Wall Of Glass“ ist eine wirklich gelungene Hymne, mit viel Gitarre, viel Vorwärts und viel Gefühl.

Das sieht auch Gallagher selbst so: „Ich finde, die Platte gehört zu den besten Arbeiten, die ich jemals gemacht habe“, Bescheidenheit war einfach nie seine Stärke. Selbst den gelben Parka, den er standesgemäß trägt, ist von seinem eigenen Mode-Label, Pretty Green, das ihn finanziell über die vergangenen Jahre gerettet hat. Trotz Rock’n’Roll-Attitüde inklusive Schlägereien, Frauen und Alkohol ist Gallagher überhaupt keine Rampensau. Vielmehr ist er zurückhaltend, zieht sich ins Dunkle der Bühne zurück, um seinem Gitarristen Raum zum Spielen zu geben. Wenn er wieder ans Mikro tritt, schwankt er manchmal ein wenig. Woran das liegt, lassen wir mal offen.

„Achso, entschuldigt, dass ich in Köln nicht spielen konnte – passiert halt“, kommentiert der Brite seine Absage des Kölner Konzerts, einen Tag vor Berlin. Dass er erkältet war, kann man heute Abend nicht hören. Seine Stimme ist so kraftvoll wie eh und je und noch immer hört man den deutlichen Einfluss von John Lennon und John Lydon, der insbesondere bei den kraftvollen Stellen zum Tragen kommt.

In dem Akustik-Track „Bold“ singt Gallagher, dass er frech war und nicht das getan hat, was man ihm sagte, in dem hymnischen „For What It’s Worth“ heißt es „In my defense, all my intentions were good“ – ist der Mitvierziger mittlerweile vielleicht doch reumütig geworden? Zumindest wirkt er an diesem Abend sehr ruhig, fast schon etwas in sich zurückgezogen.

Zum Abschluss lässt er sein Publikum nochmal in Erinnerungen schwelgen. „Wonderwall“, einer der wohl meist gecoverten Songs, klingt an diesem Abend überhaupt nicht durchgenudelt und nervtötend, sondern sehr gefühlvoll, ja es ist zurecht ein Klassiker. Mit „Supersonic“, „Cigarettes & Alcohol“ und „Live Forever“ beendet Gallagher sein Konzert so wie er es begonnen hat: Mit Oasis. Dabei schwingt etwas Wehmut mit: So sehr er scheinbar die Bühne auch vermisst hat, ist es etwas enttäuschend, dass das Konzert inklusive Zugaben gerade einmal 70 Minuten dauert.