Literatur

In den Fußstapfen des Vaters

| Lesedauer: 6 Minuten
Elisa von Hof
Für ihren Roman hat sie mehrere Jahre recherchiert: Theresia Enzensberger

Für ihren Roman hat sie mehrere Jahre recherchiert: Theresia Enzensberger

Foto: Massimo Rodari

Geschichten hat sie immer geliebt, nun hat sie ihre erste selbst geschrieben: Mit „Blaupause“ gibt Theresia Enzensberger ihr Romandebüt

Schreiben, bloß um Schriftstellerin zu sein, das will sie nicht. Vielleicht weil sie es aus dem Elternhaus kennt, weil sie weiß, Schreiben ist ein Beruf wie jeder andere, Arbeit nämlich. Weil sie genau weiß, dass es viel weniger mondän ist, viel weniger schillernd, als man denkt. Theresia Enzensberger (Jahrgang 1986) hat nun ihren ersten Roman veröffentlicht, „Blaupause“. In dem rüttelt die Berlinerin die 20er-Jahre wach, so funkelnd wie die nie endenden Partys dieser Dekade, und so kompromisslos, dass man sich freut, 90 Jahre später zu leben.

Den Roman hat sie nicht geschrieben, weil sie unbedingt schreiben wollte. Das hat sie ja sowieso schon gemacht, für die „FAZ“ und „Zeit Online“ zum Beispiel, bloß journalistisch und keine so lange Geschichte. „Ich wollte dieses Buch schreiben, weil ich wollte, dass so ein Buch existiert“, sagt Enzensberger mit einer Dringlichkeit, die ihr weiches Gesicht scharf zeichnet, und zieht an ihrer Zigarette. Enzensberger ist, der Name verrät es schon, die Tochter des gleichnamigen Literaten, Hans Magnus Enzensberger.

Ja, ihr Buch hält sie auch für einen feministischen Text

Ob Bücher in ihrer Kindheit daher eine größere Rolle gespielt haben, das weiß sie nicht. Auch ob ihr Vater nun stolz sei auf sie und den Roman gern gelesen habe, lässt die Berlinerin plötzlich sehr wortarm werden. Da runzelt sie die Stirn und pustet den Rauch so zögerlich von sich fort, als wünschte sie, das wären diese andauernden Fragen nach ihrem Vater, die man wegpusten könnte. Denn, klar, jede Rezension wird auch davon sprechen: Dass sie Tochter eines populären Intellektuellen ist, dass sie sich nun auf dem gleichen Terrain bewegt. Manchmal, sagt sie leise, spräche sie lieber über ihr Buch als darüber, wessen Tochter sie ist. Denn Geschichten erzählen, das ist eben auch ihrs.

So wie die in „Blaupause“. Die von Luise, einer jungen Berlinerin aus reichem Elternhaus, die gegen Männerbünde revoltiert, gegen große Bauhaus-Lehrer wie Walter Gropius und den Naturmystiker Johannes Itten. Denn die sind nicht glücklich darüber, dass Luise als einzige Frau Architektur studieren will, bei ihnen, am renommierten Bauhaus in Weimar. „Eine der Ideen, die in dem Roman eine Rolle spielen, ist, dass es auch an Orten, an denen es augenscheinlich die absolute Gleichberechtigung gibt, manchmal nicht so weit her ist damit“, sagt die Autorin.

An Orten wie dem Bauhaus also, wo Männer Männer unterrichten und Frauen in die Weberei gehören: Stoffe herstellen, mit bunten Farben malen, schön aussehen. „Keine Sorge, Luise“, sagt Professor Itten zu Enzensbergers Protagonistin, als sie ein Modell vorstellt, „die meisten Frauen haben Defizite im dreidimensionalen Sehen.“

Die Watsche sitzt. Doch Luise lässt sich nicht unterkriegen von dem, was mehr Diskriminierung ist als Beleidigung. Sie will eben das, was Anfang 20 so glitzert: alles Alte abreißen, besser machen. Deshalb lässt Enzensberger, die, wie sie meint, selbst Glück gehabt hat und nie gegen Machomänner anrennen musste, ihre Luise weiter arbeiten. Egal, ob sie gekränkt wird oder unter „Mansplaining“ leidet, unter Männern also, die Frauen ganz feudal die Welt erklären. „Ja, das ist sicher auch ein feministischer Text“, sagt Enzensberger: „Und ich würde mich durchaus als Feministin bezeichnen.“ Trotzdem hat sie keine plumpe Heldengeschichte geschrieben. Luise ist nicht so heroisch, wie man erst glaubt, sondern oft so naiv, dass man stöhnt. Sie will überall dazu gehören und glaubt Utopien wie dem Einmaleins.

Ihre Liebe galt immer den Romanen, dem Geschichten erzählen

Anders als Theresia Enzensberger. „Für mich ist es nicht so wichtig, irgendwo dazuzugehören“, sagt sie und streicht sich die blonden Haare über die Schulter. Cliquen wie die in ihrem Roman, die hat sie immer skeptisch betrachtet, auch in ihrer Studienzeit in New York. Dort hat sie, das ist vielleicht ihre Rebellion, nicht Literatur studiert – wie der Vater –, sondern Film. Doch ihre Filme, darin sind sich die Professoren einig, seien zu literarisch. Vielleicht, denkt Enzensberger da, hat sie sich ja im Medium geirrt. Vielleicht sollte sie schreiben. „Meine Liebe galt ja immer den Romanen, weil es so schön ist, Geschichten erzählt zu ­bekommen“, sagt sie. Bis sie sich an das Buch setzt, das dauert dennoch ein paar Jahre.

2009 wird sie in einer Ausstellung im Gropius-Bau auf das Bauhaus aufmerksam. Dort entdeckt sie, dass es mehr ist als Kunst, dass es Denkweise ist und Revolution. Als sie einen Stundenplan der Kunsthochschule an der Wand erspäht, wird ihr klar: Bauhaus, das ist auch Campusleben, das kennt sie ja. Und schreiben, weiß sie, kann sie nur über Dinge, die sie kennt. Vielleicht sind es genau diese Erfahrungen, die Enzensberger mit hineingewoben hat in diesen Kosmos, die ihn so lebendig machen und den Roman zur Coming-of-Age-Geschichte. Auch für sich.

Seit drei Jahren verlegt sie aus der Liebe zum Wort sogar ein eigenes Magazin: „Block“ heißt das Potpourri aus Essays, Reportagen, Texten. Bald will sie damit aufhören. Nicht, weil ihr die Lust am Erzählen vergeht. Sondern wegen des deutschen Steuersystems. Das ist komplizierter als jede Geschichte.

Theresia Enzensberger: Blaupause.
Hanser Verlag, 256 S., 22 Euro.