„Hitler. Wie konnte es geschehen“: Eine sehr lehrreiche Ausstellung im Berlin Story Bunker
Am Ende des Rundgangs hält Wieland Giebel, Kurator dieser Ausstellung und Vorsitzender des Vereins Historiale e.V., eine kleine Bildtafel hoch. Das Foto auf ihr entstand am 5. April 1970 auf der „Schweinebrücke“, die in der Nähe von Magdeburg über einen Nebenfluss der Elbe führt. An diesem Tag wurde die Asche von zehn Leichen ins Wasser geschüttet, deren Überreste eine langjährige Odyssee hinter sich hatten: Adolf Hitler und Eva Braun, Joseph und Magda Goebbels sowie deren sechs Kinder.
25 Jahre war es damals bereits her, dass die Leiche Hitlers und seiner nur kurz zuvor angetrauten Frau Eva Braun in einem Granattrichter unweit des Führerbunkers an der Wilhelmstraße verbrannt worden waren. Inzwischen sind es 72 Jahre, und doch hat die Faszinationskraft der Figur Hitler allen symbolischen Auslöschungsversuchen zum Trotz nichts eingebüßt. Die Zahl der Fernsehdokumentationen ist schon lange Legion, erst Anfang vergangenen Jahres wurde eine sehr aufwendige, kritische Edition seines Buches „Mein Kampf“ vorgestellt, und noch immer versuchen sich Historiker Jahr für Jahr an neuen biografischen Deutungsvarianten.
Das mag mit der Anziehungskraft der Frage zu tun haben, die untrennbar mit dem Diktator und dem Nationalsozialismus verbunden ist und die diese Ausstellung folgerichtig in ihrem Titel übernommen hat: Wie konnte es geschehen? Tatsächlich ist es in all den Jahrzehnten seit dem Zusammenbruch von 1945 nicht gelungen, eine schlagende, bündige Antwort auf die Frage zu finden, warum sich die Deutschen in so blinder Folgsamkeit hinter dem NS-Regime versammelten und wieso dessen Expansions- und Vernichtungspolitik auf so grausame Weise eskalierte.
Die Ausstellung im Berlin Story Bunker am Anhalter Bahnhof dokumentiert auf drei Stockwerken, 2500 Quadratmetern, auf mehr als 330 Tafeln und mit 2300 Abbildungen alle erdenklichen Zeugnisse für die singulären Verbrechen, die im Namen des Nationalsozialismus begangen wurden. Auch sie macht keinen Hehl draus, dass das Bedürfnis nach einfachen Erklärungen in diesem Fall nicht vollständig gestillt werden kann. Wieland Giebel hat zusammen mit Enno Lenze, der den Berlin Story Bunker betreibt, die Ausstellung in vier Monaten umgesetzt - gekostet hat sie die für den privaten Verein stolze Summe von 1,3 Millionen Euro.
Zu den Fundstücken, die sie besonders interessant machen, zählen die Berichte von Menschen aus dem Sommer 1934, die der amerikanische Soziologe Theodore Abel sammelte. Er stellte ihnen die Frage, warum sie sich von Hitler eine bessere Zukunft erhofften – und fand Antworten quer durch alle Milieus, die auch einen Blick erlauben auf die Notlagen, auf die Skepsis an der Demokratie, auf die Sehnsucht nach Führung und harter Hand.
Aber auch im Pflichtprogramm zeigt sich diese Ausstellung, die mit den Räumlichkeiten des 1942 fertiggestellten Hochbunkers am Anhalter Bahnhof die Untergangsatmosphäre gleich mitliefert, sorgfältig und präzise – ob das nun das politische Klima zur Zeit von Hitlers Geburt betrifft, die Verwerfungen der Zwischenkriegszeit, die Appeasementpolitik vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, den Kriegsverlauf oder den Holocaust. Wieland Giebel und Enno Lenze haben sich entschieden, auch drastische Zeugnisse der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik großformatig zu zeigen. Wer den Bunker mit Kindern besucht, sollte sich darauf einstellen. Die Ausstellung bietet einen spannenden, lehrreichen Überblick der jüngeren deutsche Vergangenheit. Darin ist sie eine gute Ergänzung zur nahe gelegenen „Topographie des Terrors“.
Berlin Story Bunker, Schöneberger Str. 23a, 10963 Berlin. Geöffnet tgl. 10–19 Uhr, letzter Einlass 18 Uhr. Eintritt 12 Euro, erm. 9 Euro.