Jazztrompeter

Till Brönner: „Im Herzen bin ich ein Feminist“

| Lesedauer: 10 Minuten
Annika Schönstädt
Am Montagabend tritt Till Brönner beim Classic Open Air auf

Am Montagabend tritt Till Brönner beim Classic Open Air auf

Foto: Reto Klar

Männer möchten von Frauen bewundert werden, sagt Till Brönner. Beim Classic Open Air bietet der Jazztrompeter die passende Gelegenheit.

Am Montagabend endet mit dem Konzert des Till Brönner Orchestras das Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt. Mit der Gründung seines Jazz-Orchesters hat sich der 46-Jährige einen Traum erfüllt. Ein anderer, die Realisierung des House of Jazz in Berlin, steht noch aus. Ein Gespräch mit dem Musiker, der zwischen Charlottenburg und Los Angeles pendelt, über Kultur, Politik und die Schwierigkeiten des modernen Mannes beim Dating.

Sind Sie Berlin gerade eigentlich ein bisschen sauer, wegen der Absage für das House of Jazz?

Till Brönner: Das wäre zu verfrüht. Da wurde von der Presse ein Clinch heraufbeschworen, den es eigentlich gar nicht gibt. Faktisch habe ich am vergangenen Mittwoch erst mein erstes Gespräch mit Herrn Lederer gehabt. Er hat mir keine Absage erteilt, im Gegenteil. Einzig die Frage nach der laufenden Finanzierung steht im Raum. Und die muss gemeinsam beantwortet werden. Als möglicher Standort steht Berlin allerdings mittlerweile nicht mehr alleine da.

Das House of Jazz ist für Sie also nicht an Berlin gebunden?

Nein. Wir wollen ja den Inhalt transportieren und nicht den Ort. Ich glaube, wir haben einen Leuchtturm anzubieten. Und wo der steht, ist für uns nicht so entscheidend. Natürlich wäre es ein Traum, wenn er in Berlin steht.

Sind Sie durch das Projekt politischer geworden?

Zwangsläufig ja. Kunst ist immer auch ein Stück weit politisch, der Jazz erst recht.

Sie haben einen Wohnsitz in Berlin. Hätten Sie sich eine andere Regierung gewünscht?

Am Ende des Tages hat Berlin immer, unter jeder politischen Konstellation, darunter gelitten, dass die Mühlen hier anders mahlen als anderswo. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist sehr groß. Man gewinnt auch als Laie den Eindruck, dass Politik in Berlin ein schwierigeres Unterfangen ist als anderswo, dass auch das Karrieremachen als Politiker steiniger ist. Ich bin da kein Experte, aber ich glaube, das ist der Grund dafür, dass in Berlin manche Dinge langsamer laufen.

Wissen Sie, was Sie im Herbst wählen?

Das weiß ich noch nicht. Ich bin aber Fan davon, mich auch lokal zu informieren. Was ist meine Stimme im Kiez wert? Was möchte ich hier ändern? Ich bin mit meiner Stimme immer da, wo die Kunst zu Hause ist. Jemand, der das begünstigt, rennt bei mir natürlich offene Türen ein. Ich glaube, dass Künstler sich engagieren sollten, aber ich kann mir nicht vorstellen, in eine Partei einzutreten. Vielleicht wird politisches Engagement noch mal ein neues Kapitel in meinem Leben. Ich beobachte oft, wie Musik Grenzen zwischen vermeintlich verfeindeten Lagern überwinden kann.

Sie sind als Prominenter auch Botschafter Ihres Landes, waren zum Beispiel als einziger Deutscher bei einem Jazzkonzert bei Barack Obama im Weißen Haus zu Gast. Übernehmen Sie diese Rolle gerne?

Wer in so einem Moment denkt, das ist mir unangenehm, der hat etwas entscheidendes nicht mitbekommen. Ich bin dort hingekommen, weil ich das tue, was mir auf der Welt das liebste ist. Und mein Heimatland Deutschland hat mich sehr gefördert. Wenn ich etwas zurückgeben kann, und sei es das Repräsentieren, dann mache ich das gerne.

Wenn Donald Trump Sie einlüde, würden Sie auch gehen?

Es käme darauf an, warum er mich einlädt. Ich neige nicht dazu, Barack Obama im Nachhinein zu glorifizieren, weil ich nicht genug Ahnung davon habe. Wenn man in Los Angeles lebt, kennt man dieses Land natürlich ein bisschen genauer und stellt fest, dass Donald Trump die Folge von einer großen Inhomogenität ist. Auch die nicht vorhandene Diktaturerfahrung der Amerikaner spielt sicher eine Rolle, dass man denkt, man könne einen Menschen dieser Persönlichkeitsstruktur zum Präsidenten machen. Andererseits haben die da drüben auch ganz andere Kontrollmechanismen. Der Präsident ist eben nur der Präsident.

Haben Sie das Gefühl, Sie können durch Ihre zwei Wohnsitze ein wenig vermitteln? Die Sichtweise auf die USA ist in Deutschland ja oft recht eindimensional.

Das stimmt. Ich finde, das Pressesystem ist dort beispielsweise sehr viel freier als bei uns. Wenn einem Politiker bei uns die Art von Medienkritik zuteil werden würde, der Donald Trump ausgesetzt ist, das wäre ein Skandal. Die Amerikaner sind ein sehr lebendiges Beispiel für Meinungsfreiheit. Wir können in Deutschland nachweislich manche Dinge nicht sagen, ohne einen Shitstorm auszulösen, weil wir eben ein sehr kleines Land sind. Unsere Medienstruktur ist in meinen Augen sehr danach ausgerichtet, was man meint, den Menschen zumuten zu können. Und sei es die Wahrheit.

Hat sich Ihre Sicht auf Deutschland verändert, seitdem Sie in den USA leben?

Durchaus. Ich bin sehr froh, den größten Teil meiner Zeit hier zu leben. Ich bin trotzdem der Meinung, dass wir viel dazulernen können. Wir sind recht gut darin, andere Länder aufgrund unserer Erfahrung und unserer Leistungsfähigkeit zu beurteilen und zu belehren. Wir haben genug vor unserer eigenen Haustür zu kehren. Das ist das, was ich mitgenommen habe.

Apropos andere verurteilen. Wie oft wird Ihnen vorgeworfen, Sie seien zu mainstreamig? Sie spielen auf dem Gendarmenmarkt ja auch wieder ein Programm, das einem breiten Publikum gefallen soll.

Sehr oft. Aber das stört mich nicht. Das ist, als wenn jemand zu mir sagt: Mir gefallen deine Ohren nicht. Das kann ich nur zur Kenntnis nehmen, ich habe ja keine anderen Ohren. Meine Reise war teilweise auch eine recht steinige, weil ich einfach Lust auf bestimmte Dinge hatte. Das scheint einigen Jazzmusikern anbiedernd vorzukommen. Ich gehe meinen Weg, und das wird auch so bleiben. Es ist heute sehr schwer, Jazzmusiker zu sein. Ich finde, da ist Kritik nicht angebracht. Wir sollten uns doch eher gegenseitig zuklatschen, wenn es mal wieder einer aus dieser Ecke geschafft hat. Jetzt fehlt nur noch das House of Jazz.

Ist das eine Art Lebenswerk, wenn es denn einmal klappt?

Darüber denke ich nicht nach. Aber natürlich wäre es schön, wenn das, was Deutschland der Welt im Bereich Jazz zu geben hat, eines Tages in Glas, Stein und Beton existieren würde. Aber da steht dann nicht Till Brönner drauf.

Sie werden in vier Jahren 50. Haben Sie an dieses Datum schon einen Gedanken verschwendet? Gibt es Dinge, die Sie bis dahin erledigt haben wollen?

Immer dann, wenn ich mir solche Ziele gesetzt habe, sind andere Dinge passiert, die dann plötzlich noch wichtiger waren. Ich lasse also alles auf mich zukommen, was mir bis 50 noch so passieren sollte. Es wäre doch schade, wenn man am Ende denkt, es wäre etwas nicht in Erfüllung gegangen, wenn es in Wahrheit einen ganz anderen Plan für mich gab.

Sie sind vor kurzem als gepflegtester Mann ausgezeichnet worden. Zu Recht? Achten Sie sehr auf sich?

Ich denke, dass die „GQ“ das selber nicht so eng sieht, sondern das, was heute als Männlichkeit empfunden wird, eher mit einem Augenzwinkern betrachtet. Das Bild, was man früher mal von einem Mann hatte, kommt heute ja immer mehr abhanden. Mit den wechselnden Gewichtungen zwischen den Geschlechtern verändern sich die Geschlechter ja auch.

Finden Sie es heute schwerer, als Mann die Rolle zu finden, die von Ihnen erwartet wird?

Ich sage es mal so: Wenn Frauen in allen Bereichen stattfinden, in denen vorher nur Männer stattgefunden haben, dann ist das natürlich eine Errungenschaft. Wenn sie sich dann aber wundern, dass sie für Männer nicht mehr so attraktiv sind wie vorher, dann hat das glaube ich evolutionstechnische Gründe. In der Natur ist das Aufschauen zu einem Mann, und das meine ich im positiven Sinne, aus Sicht der Frau etwas, das attraktiv erscheint. Das heißt ja nicht, dass Frauen unterdrückt werden sollen oder nicht in Führungspositionen sein sollten. Aber extrem erfolgreiche Frauen haben plötzlich Probleme, Männer zu finden. Das ist doch die deutlichste Antwort. Und wir pflanzen uns nun mal aufgrund unserer DNA fort und nicht, weil wir alles ins Gegenteil verkehren. Trotzdem bin ich im Herzen ein Feminist.

Sprechen Sie aus Erfahrung? Möchten Sie beim Dating bewundert werden?

Männer mögen es generell bewundert zu werden, klar. Umgedreht ist es nicht immer zuträglich (lacht).

Und wie wirkt sich das auf Sie aus? Stehen Frau und Familie noch auf der Wunschliste?

Das werde ich sehen, wenn es wo weit ist. Ich habe so viele Menschen getroffen, die sich das erfolglos vorgenommen haben. Umso schöner ist es doch, wenn man das ganz unverhofft erfahren darf.