Das eigentliche Jubiläum steht ja erst im Juni an. Aber ein Vierteljahrhundert Bar jeder Vernunft, das kann man ja das ganze Jahr durch zelebrieren. Deshalb hat die längst legendäre Kleinkunstbühne am Dienstag zu einem verspäteten Neujahrsempfang geladen – ins größere Tipi am Kanzleramt, das ja auch schon 15-Jähriges feiern kann. Ist es doch zum Zehnjährigen der Bar errichtet worden.
Die Kerzen bleiben diesmal an. Sonst muss man die ja immer ausblasen, bevor das Programm losgeht. Dazu fordert nach wie vor vom Band die Stimme von Otto Sander auf, der in der Bar noch mehr fehlt als anderswo. Auch die Stühle, mit denen man sich manchmal im Vordertisch verkeilt, sind weg. Die Gäste gruppieren sich vor Stehtischen. Es soll legerer zugehen als sonst. All die vielen prominenten Geladenen hätte man sonst auch gar nicht untergebracht.
Stars auf der Bühne, Stars zu ihren Füßen
Götz Alsmann führt durch den Abend. Immer wieder gibt es Showeinlagen: aus dem Dauerbrenner „Cabaret“, von dem Papierkünstler Ennio Marchetto, den Steptänzern Tap Pack und den Schlagzeugern Double Drums, die hier alle, wie Alsmann auch, schon zu Gast waren. Der Bar-Kenner vermisst natürlich Urgesteine wie die Geschwister Pfister, Meret Becker, Max Raabe oder Desirée Nick.
Aber, da ist Alsmann ganz ehrlich: Er könnte jetzt sagen, das würde zu voll auf der Bühne. Zu voll hinter der Bühne. In Wahrheit sei es einfach zu teuer. Nicht wenige der Bar-Stars haben hier aber gerade erst zusammen „Frau Luna“ gespielt. Und weitere sind dennoch präsent im Saal und dürfen an den wenigen Tischen ganz vorn sitzen. Georgette Dee, Diseuse und Bar-Veteranin, darf das erste Couplet singen. Und huldigt der Bar in einer liebevollen Laudatio.
Die Bar war ja anfangs eine Schnapsidee von Holger Klotzbach und Lutz Deisinger, die mitten im Hochsommer 1992 zum Flop geriet und fast wieder eingemottet worden wäre. Wäre nicht Meret Becker spontan eingesprungen. Die Bar, so die Dee, sei „Zelt gewordener Traum“. Erstmal der Traum der Gründer und dann auch der der Künstler, die sich hier eingefunden und ihr Publikum vermischt hätten. Bis das Zelt keinen kleinen Ableger bekommen hat, sondern ein noch größeres, das Tipi. Die Dee verrät so manche Anekdote.
Dass Meret Becker mal getobt habe, weil das Publikum während der Vorstellung essen darf, und Holzer Klotzbach ihr ein Tablett voller Gläser gebracht habe, die sie alle habe zerschmeißen dürfen. Dass viele Künstler, wie die Dee selbst, zwischendurch mal Schluss machen wollten mit der Bar – und doch reumütig zurückgekehrt seien. Georgette Dee allein hätte gereicht, um den Gedenkabend würde- und liebevoll zu bestreiten.
Aber dann kommt auch noch Klaus Wowereit. Der Ex-Regierende Bürgermeister ist ein alter Freund und Weggefährte der Zelte. Auch er huldigt den beiden Gründern. Aber er kann es sich bei dem Stichwort temporäre Einrichtung nicht verkneifen, dass es manchmal ja ganz schön sei, wenn Bauprojekte ins Stocken geraten und nicht zu Ende kommen: „Ihr könnt auch woanders bauen.“
Damit meint er das Tipi, aber natürlich ist auch der BER-Skandal gemeint, der dem einst so beliebten Regierenden am Ende die Sympathien gekostet hat. Das kann er nicht verwinden, das schmerzt ihn offenbar immer noch, auch wenn er es zu Witzen verarbeitet.
Das Kanzleramt klagt übrigens schon lange nicht mehr, dass es zu laut sei im Zelt nebenan. Inzwischen feiert auch die CDU hier gern mal ihre Weihnachtsfeier.