Am Freitag werden die Deutschen Filmpreise verliehen. Nicht nur der höchste Preis für die hiesige Kinozunft, sondern wegen der damit verbundenen Fördergelder auch der höchstdotierte Kulturpreis des Landes. Als großer Favorit tritt „Der Staat gegen Fritz Bauer“ von Lars Kraume mit neun Nominierungen an. An zweiter Stelle folgt „Er ist wieder da“ von David Wnendt. Beide treten gleich in vier Kategorien direkt gegeneinander an. Auch in der für die beste Regie, für die als Dritte Maria Schrader für ihren Stefan-Zweig-Film „Vor der Morgenröte“ aufgestellt ist. Wir trafen die drei Regisseure im Hotel Sofitel.
Berliner Morgenpost: Wie haben Sie von Ihren Nominierungen erfahren?
Maria Schrader: Durch... wie heißt das? Facebook! (lacht) Kleiner Spaß. Bin allerdings tatsächlich kein Mitglied. Mein Editor hat die Bekanntgabe verfolgt und mich angerufen.
David Wnendt: Bei meinem Film waren die Produzenten während der Bekanntgabe dabei. Die haben mir dann sofort eine SMS geschickt.
Lars Kraume: Ich war im Writers Room, wie man so schön neudeutsch sagt, ich saß mit mehreren Autoren an einer neuen Serie und hatte ganz wenig Zeit. Aber ständig ruft mein bester Freund an. Ich dachte noch, was nervt der denn jetzt. Ich fürchte, ich hab ihn dann auch so angegangen. Und er sagte: Wir gucken den Liveticker. Also den auf der Akademie-Seite im Netz.
Schrader: Ah, dann war es das!
Kraume: Dann war die Konzentration jedenfalls futsch. Und als dann all die Nominierungen feststanden, musste ich erst mal essen gehen.
Kennen Sie sich eigentlich untereinander? Oder haben Sie sich jetzt erst über die Nominierungen kennen gelernt?
Schrader: David und ich, wir haben uns heute erst kennengelernt. Lars und ich haben zusammen gearbeitet, ich war auf seiner Hochzeit, wir kennen uns sogar länger, als ich wusste.
Kraume: Ja, das sind schon 20 Jahre. Und David und ich, wir kennen uns so ein bisschen vom Hallo-Sagen.
Wnendt: Man läuft sich mal bei Filmpremieren über den Weg.
Kraume: Man kennt sich eigentlich nicht, höchstens vom hallosagen. Natürlich gibt es welche, die einem sympathischer sind, und es gibt auch welche, die meidet man eher bei Premieren. Aber es gibt nur wenige, mit denen man richtig eng befreundet ist.
Schrader: Aber du und ich haben doch einen ganz schönen, für meine Verhältnisse sogar ziemlich regen Kontakt. Ich hab dich vor meinen Dreharbeiten mehrere Mael angerufen, auch um Rat gefragt. Ich hab mich auch direkt gemeldet, nachdem ich deinen Film gesehen hatte. Ich genieße es, sich so auszutauschen.
Sie sind jetzt alle in der Kategorie Regie nominiert. Empfindet man sich da eigentlich als Konkurrenz?
Schrader: Na klar!
Wnendt: Ich finde die im konkreten Fall nicht so schwerwiegend. Natürlich würde ich mich auch über einen Sieg freuen. Aber ich würde mich auch für die anderen freuen.
Kraume: Doch, im empfinde euch beide als Konkurrenz. Als freundliche, aber auch harte Konkurrenz. (lacht) Ich freue mich, dass wir drei gegeneinander antreten. Aber ich will die Lola kriegen, da bin ich ganz ehrlich.
Schrader: Ja klar, aber ich freue mich ja schon, überhaupt nominiert zu sein. Es ist erst mein zweiter Film. Und er ist auch nicht, wie bei euch beiden, als Bester Film nominiert. Ich bin also ein bisschen exzerpiert. Außerdem wurden in den letzten 15 Jahren insgesamt nur fünf Regisseurinnen nominiert, gewonnen hat das letzte Mal Caroline Link, vor 14 Jahren! Es ist also per se ungewöhnlich, als Regisseurin nominiert zu werden, zumal ich ja eigentlich Schauspielerin bin.
Frau Schrader, Sie haben einen Film über Stefan Zweig im Exil gedreht, Sie, Herr Wnendt, haben „Er ist wieder da“ nicht nur verfilmt, sondern dabei auch rechte Stimmungen im Volk aufgespürt. Sind Sie manchmal selbst überrascht, welche Aktualität Ihre Filme plötzlich gewonnen haben?
Schrader: Dass es Verbindungen zu unserer heutigen Situation gibt, hab ich schon verspürt, sonst hätte es den Impuls, den Film zu machen, ja gar nicht gegeben. Dass man aber ganze Dialogpassagen in heutige Tageszeitungen setzen könnte, das erschreckt einen schon. Stefan Zweig wurde in Buenos Aires mit stehenden Ovationen geehrt, weil er zu den europäischen Flüchtlingen gehörte. Heute hat die Exilbewegung die umgekehrte Richtung, Menschen riskieren ihr Leben, um nach Europa zu gelangen. Man muss sie nicht mit Applaus empfangen, sollte aber auch nicht vergessen, dass es erst einen Wimpernschlag in der Geschichte her ist, dass man aus unserem Land fliehen musste.
Wnendt: Zum einen ist es gut, wenn sich die eigenen Instinkte bestätigen. Und es freut mich, wenn der Film die Leute dazu bringt, über das Thema zu diskutieren. Aber es bleibt erschreckend, wie sehr sich unser Land gerade verändert. Bei aller Freude, die man hat, weil man einen Nerv getroffen hat: Das Unwohlgefühl, das bleibt.
„Der Staat gegen Fritz und Bauer“ und „Er ist wieder da“ treten gleich in vier Kategorien direkt gegeneinander an. Wird dieser Abend ein Duell Nazijäger gegen Adolf-Hitler-Widergänger?
Kraume: In fünfen, wirklich? Nun, dann ist das halt so.
Wnendt: Nein, es ist kein Duell. „Fritz Bauer“ ist doch der klare Favorit. Aber wir anderen wollen schauen, ob man ihm den einen oder anderen Preis noch abluchsen kann.
Kraume: Also das weiß ich nicht. Ich habe alle meine Mitnominierten zum Abend vor der Verleihung eingeladen – weil ich tierisch Angst habe, dass der Lola-Abend ganz anders verlaufen könnte. Ich freue mich wahnsinnig über all die Nominierungen. Ich werde da auch total aufgeregt und hektisch sein. Aber ich bin auch total skeptisch. Mein letzter Kinofilm „Die kommenden Tage“ war ein totaler Flop. Ich bin da regelrecht traumatisiert.
Wie bereiten Sie sich überhaupt auf den Abend vor?
Kraume: Wir haben alle drei Filme gemacht mit Themen, die im Augenblick von Interesse sind. Ich habe meinem Ko-Autor schon gesagt, dass wir für den Fall der Fälle zwei, drei Dinge zu sagen haben müssen. Da ich nicht Schauspieler bin wie Maria, bricht mir da jetzt schon der Angstschweiß aus. Aber es geht nicht, wenn man dann nur Danke sagt. Da muss schon was Inhaltliches kommen.
Wnendt: Ja, es ist wichtig, sich auch zur Politik zu äußern. Deswegen würde ich mir vorher einen Text zurechtlegen, damit man dann vor Aufregung keinen Blackout kriegt.
Sie, Frau Schrader, haben ja schon zwei Mal einen Deutschen Filmpreis bekommen. Schüttelt man das leichter aus dem Ärmel?
Schrader: Nein, da schüttelt sich nichts leicht aus dem Ärmel... Da müssen schon noch ein paar kommen, bevor es Routine wird. Außerdem bin ich jetzt nicht als Schauspielerin, sondern für die Regie nominiert. So gesehen ist es eine Premiere. Verrückt machen muss man sich trotzdem nicht. Ob man jetzt gewinnt oder nicht, ist am Ende ja nicht lebensentscheidend.
Der Deutsche Filmpreis ist ja, entgegen allen anderen Filmpreisen, mit Fördergeldern verbunden. Verschärft das die Konkurrenz?
Schrader: Bei unserem Preis? Tatsächlich?
Kraume: Das ist ja sympathisch, dass du das nicht mal weißt. Aber das spielt für mich nun wirklich gar keine Rolle. Ich habe noch nie einen bekommen, ich war noch nicht mal nominiert, ich hätte auch gern mal so eine Lola.
Schrader: Ich bin mir ziemlich sicher, dass das diesmal klappt, Lars, bei so vielen Nominierungen. Es muss ja nicht unbedingt die Regie-Lola sein...
Müsste man das Preisgeld nicht irgendwann abkoppeln von der Trophäe?
Wnendt: Aber was ist denn so schlimm daran, wenn Filme nicht nur ausgezeichnet werden, sondern auch Referenzmittel bekommen? Ich verstehe gar nicht, warum das so negativ gesehen wird.
Kraume: Ich kann schon verstehen, warum manche das dubios finden. Mir wäre es auch lieber, wenn es wie bei anderen Preisen nur um die Trophäe ginge. Andererseits kriegt man gesellschaftlich und thematisch komplexere Filme nicht so ohne weiteres produziert in Deutschland. Diese Art von Kino über Preisgelder besser auszustatten, macht schon Sinn. Ganz konkret: Mein nächster Film ist wieder ein politisches Drama und war lange schwer zu finanzieren. Aber eine Woche nach der Nominierungsbekanntgabe haben alle zugestimmt.
Gerade wurde auf der Berlinale heiß diskutiert, warum es so wenig deutsche Beiträge gab. In Cannes lief sieben Jahre lang kein deutscher Film im Wettbewerb. Steckt der deutsche Film gerade in einer Krise?
Wnendt: Das ist doch heute so und morgen so. Festivalbeteiligungen schwanken ja von Jahr zu Jahr. Jetzt lief ja wieder ein deutscher Film im Cannes. Immer auf das ganze deutsche Kino einzudreschen oder eine Krise zu erklären, finde ich hysterisch. Es gibt viele tolle Filme, die finden vielleicht nicht alle die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Aber immer gleich dieses Totschlagargument finde ich überzogen.
Schrader: Allein die Frage manifestiert den Umstand. „Der deutsche Film“ - „Die Krise“. Als stelle man zur Disposition, ihn ganz abzuschaffen. Ich glaube, solche Grundsatzdiskussionen gibt es beim französischen Kino nicht. Wenn man eine andere Selbstverständlichkeit empfinden würde, wenn nicht jeder Filmemacher, der ein Projekt beginnt, das Gefühl haben müsste, den Beweis liefern zu müssen, dass der deutsche Film eine Existenzberechtigung hat, wenn man also nicht so eine Angst hätte zu scheitern, dann würde es in der Summe vielleicht riskantere, verspieltere und mutigere Filme geben. Die ewig grundsätzliche Frage führt nur zur Verunsicherung.
Deutscher Filmpreis 2016. Verleihung am 27. Mai im Berliner Palais am Funkturm. TV-Ausstrahlung: ARD, 22 Uhr.