Polnische Filme werden normalerweise kaum in deutschen Kinos gezeigt. Jetzt gibt es wieder eine seltene Möglichkeit, Kultur und Film des Nachbarlandes kennenzulernen: Zwischen dem 20. und dem 27. April findet in Berlin bereits zum elften Mal Film Polska statt – das größte polnische Filmfestival außerhalb Polens und ein Fest des polnischen Films. Gezeigt werden neue Spielfilme, Dokumentarfilme, Animationen, Kurzfilme sowie Klassiker polnischer Regisseurinnen und Regisseure. Bespielt werden diverse Locations in Berlin, u. a. das Babylon, das Arsenal, das FSK, das Acud-Kino und der Club der Polnischen Versager.
In dieser Welt der Filme passiert so einiges. Das aktuelle polnische Kino schafft es, die gesellschaftliche Stimmung in sich verändernden Zeiten überzeugend zu reflektieren und sie gleichzeitig mitzugestalten. Es hat schon immer Wege gefunden, auch in schwierigen Momenten, die Atmosphäre des Landes jenseits von Politik und ökonomischer Not wiederzugeben. Man findet hier alles wieder. In der Sektion Neues Polnisches Kino kann man unter anderem den diesjährigen Silbernen-Bären-Gewinner der Berlinale für das beste Drehbuch, „Zjednoczone stany miłosci“ („United States of Love“) von Tomasz Wasilewski, sehen, der einen die sehr spezielle Atmosphäre der wilden, völlig instabilen 90er-Jahre in Polen am eigenen Leib erfahren lässt.
In der noch jungen Demokratie dieser Zeit gibt es zwischen sozialistischen Plattenbauten große Gefühle, eine Bedingungslosigkeit, die universell wirkt, und mutige Träume. Frauen, die nur die Liebe schwach machen kann und die bedingungslos nach Glück streben. Den polnischen Gott, auf den man in überfüllten, noch unfertigen Kirchen trifft. Und Rache, die keine Grenzen kennt. Das alles wird umrahmt von Polen in seinen verschiedenen Grautönen, mit seinen Problemen und Absurditäten, die immer schon ein satirisches Potenzial besaßen, derer sich das polnische Kino schon immer gern bedient hat.
Gezeigt wird auch der auf dem Sundance Festival 2016 ausgezeichnete Film „Córki dancingu” („Sirenengesang“) von Agnieszka Smoczyńska, in dem zwei Weichselnixen mit ihrem Gesang Männer verführen und anschließend ihre Herzen verspeisen. Trotz ihrer raubtierhaften Natur sind auch sie in der surrealen polnischen Realität des Films nicht resistent gegen die Liebe, was natürlich zu Tragödien führt. Auf den Tanzflächen des Landes wird wild getanzt und Wodka getrunken; das polnische R wird gerollt und ebenso die polnische Realität.
An Klassikern des polnischen Kinos kann man beim Film Polska unter anderen den 1962 von Roman Polanski auf masurischen Seen gedrehten Abschlussfilm „Das Messer im Wasser“ sehen, in dem eine unheimliche Atmosphäre herrscht, die einen noch lange begleitet. Gezeigt wird auch Andrzej Wajdas „Niewinni czarodzieje“ („Die unschuldigen Zauberer“) von 1960 und „Le départ“ (Goldener Bär der Berlinale 1967) von Jerzy Skolimowski, dem bei dem diesjährigen Festival eine ganze Retrospektive gewidmet sein wird und der auch als Ehrengast des Festivals angekündigt ist.
Unter den Dokumentarfilmen findet man den bewegenden, mehrfach preisgekrönten Film „Call me Marianna“ von Karolina Bielawska, der von einer Identitätssuche im heutigen Polen jenseits des eigenen, als falsch empfundenen Geschlechts erzählt. Viele Filme wurden extra für das Festival mit deutschen Untertiteln versehen, einige Vorführungen werden von Gesprächen mit Künstlern begleitet. Film Polska ist eine Einladung, die Vielfalt und Magie des polnischen Films zu erleben. Es ist auch eine wertvolle künstlerische Ergänzung zum Bild Polens, das zurzeit stark durch den politischen und medialen Diskurs geprägt wird, der seit dem Regierungswechsel in Polen die deutsch-polnischen Verhältnisse trübt.
Film Polska Berlin, bis 27. April.
Alle Spielorte und Programm:
www.filmpolska.de