Ein paar Jahre ist es her, da hat Sido, unser Rapper aus Reinickendorf und seit Weihnachten 2012 glücklich verheiratet, ein für den deutschen Hip-Hop programmatisches Lied veröffentlicht: „Frauen wie Männer“ lautet der Titel und berichtet darüber, wie idyllisch es doch früher war: „Mein Opa hat mir oft von ihr erzählt – die perfekte Frau / das einzige Wort, das Sie sagen konnte war – (genau!) / Sie hat dir – nie widersprochen/ und wenn doch – Nase gebrochen.“
Doch jede Herrschaft geht einmal vorüber und „irgendwann ist diese Art von Frau ausgestorben / jetzt ham’ sie sich emanzipiert / und was is’ draus geworden?! / Frauen kommen in den Knast, Frauen töten ihre Kinder.“ Sido hat einen klaren Anforderungskatalog an die perfekte Frau: „Ich kann mit ihr nichts anfang’ wenn sie nicht pariert.“
Frauen als Sexobjekt
Vorbild für deutsche Sänger wie Bushido und Frauenarzt waren die US-Rapper, die eine kleine Kulturgeschichte der Schlampe („Bitch“) schreiben könnten. „Sophisticated bitch“ von Public Enemy (obwohl die es nicht ganz ernst meinten), „Bitches 2“ von Ice T, „A Bitch iz a a bitch“ von NWA und so weiter und so fort. Man kann die Textexegese noch endlos weitertreiben, ohne dass sich das Ergebnis verändert: Ein Teil der Musikindustrie lebt gut davon, Frauen als Sexobjekt darzustellen, das dem Mann zu gehorchen hat.
Nur, woran liegt das: Wieso verkauft sich die aggressive Herabwürdigung der Frau so gut? Dem ersten Anschein nach, der ja nicht immer falsch sein muss, ist das Ganze natürlich eine gezielte Provokation. Der (vermutete) Mainstream besteht aus Antidiskriminierungsgesetzen, Gleichstellungsbeauftragen und Alice Schwarzer. Und wo so viel guter Wille der Gutmenschen den öffentlichen Diskurs beherrscht, ist der Tabubruch nicht mehr weit. Früher waren Gotteslästerung, Drogenverherrlichung und explizite Gewaltdarstellung vermeidliche Tabus, heute empört man mit Frauenerniedrigung.
Folgt man dieser Argumentationslinie, steht der Aggro-Rap in einer kulturellen Linie mit den verformten Christenkreuzen in der bildenden Kunst, den LSD-Hymnen der Lieder aus der Folk-Zeit und jeder Menge kontroverser Filme, von „Clockwork Orange“ über „The Texas Chainsaw Massacre“ bis „Natural Born Killers“.
Nicht zu schlau, nicht zu selbstbewusst
Nun gibt es ein Unbehagen mit der Argumentation, und das hat nicht nur einen geschmäcklerischen Grund, weil man findet, dass diese Texte so bescheuert sind, dass man sie auch nicht trotz ironischer Schulung lustig oder hörenswert finden könnte. Der Punkt ist: Es ist keine Provokation. Es ist ernst gemeint.
Mögen Bushido oder Sido von den Medien irgendwann mal weich gespült sein und dann die übliche Verteidigungsposition („das liegt doch schon Jahre her“, „das war anders gemeint“) annehmen. Die Fans jedenfalls, die das Leben als Kampf verstehen, in dem es täglich um die Erhaltung der Ehre geht, meinen sich in ihrer frauenfeindlichen Haltung im Recht zu befinden. Frauen, die allzu schlau und selbstbewusst daherkommen, werden in dem Milieu als Bedrohung wahrgenommen.
Die zutiefst reaktionäre Haltung würden Psychologen, die ja gern im Opferjargon sprechen, so deuten, dass es sich hierbei um verunsicherte Männer handelt, die sich in ihrer Rolle und in ihrem Rollenverständnis durch die moderne Frau und das moderne Frauenbild bedroht fühlen.
Der Macho ist noch lange nicht tot
Und so kommt jetzt ein großer, aber doch überschaubarer Schritt zu Herrn Brüderle. Der hat mit seinen Bemerkungen über die Dirndl-Größe einer „Stern“-Redakteurin ein ähnliches Frauenbild (wenngleich weniger aggro, sprachlich nach seinem Empfinden neckischer) wie der Rapper auf der Bühne. Es vereint sie ein Gefühl der Überlegenheit, eine herblassende Art gegenüber Frauen. Sie sind sichtbare Vertreter einer nicht so kleinen Minderheit.
Denn nur weil der Macho in der öffentliche Debatte tot ist oder wie ein possierliches Tierchen (Rolf Eden, Rudi Assauer) in den Medien gehätschelt wird, nur weil man meint, er stünde vor dem Aussterben, ist er noch lange nicht tot.
Das könnte was werden: Die FDP und die Rapper und die Machos, die sagen, „man wird ja noch mal einen Spruch machen dürfen“. Es wird vielleicht keine Massenbewegung, aber je länger es Rainer Brüderle nicht fertigbringt, sich zu entschuldigen, desto wahrscheinlicher wird der Einzug seiner Partei in den Bundestag.
Die Sexismus-Debatte auf Twitter: