Von “Fratzengeballer“ und “Mopfern“: Was Langenscheidt mit der Wahl zum “Jugendwort des Jahres“ begann, setzt jetzt der Duden mit dem “Neuen Wörterbuch der Szene“ fort. Dafür gibt es gute Argumente. Doch bleibt der schale Eindruck, dass sich hier jemand an die Jugend ranschmeißen will.
Als der Langenscheidt-Verlag im vergangenen Jahr dazu aufrief, das „Jugendwort des Jahres“ zu küren, war der Zuspruch beträchtlich: Mehr als 25.000 Heranwachsende beteiligten sich mit Vorschlägen an der Ausschreibung. Mit kreativen Neologismen wie „Gammelfleischparty“ (Feier von über 30-Jährigen) und Wortneubesetzungen wie „Stockente“ für Nordic Walker widerlegten die Jugendlichen die Befürchtung vieler Kulturkonservativer, dass der Sinn für sprachliche Feinheiten und subversiven Verbalwitz im SMS-Zeitalter verloren gegangen sein könnte.
Jetzt macht sich der altehrwürdige Duden gleich an mehreren Fronten daran, das Erfolgskonzept zu imitieren, um sich gleichfalls eine juvenile Klientel zu sichern. So ist unter dem dadaistisch anmutenden Titel „Von HDL bis Dubidodo“ gerade ein „Wörterbuch zur SMS“ erschienen, das eine der Orientierung dienliche Schneise in das Dickicht jener kryptischen Abbreviaturen schlagen soll, die jüngere Nutzer des Kurznachrichtendienstes verwenden.
Zudem gibt es ein Duden-Projekt, das an eine Raubkopie der Jugendwort-Ausschreibung des Mitbewerbers Langenscheidt gemahnt: Die Duden-Redaktion sucht für ein geplantes „Wörterbuch der Szenesprachen“ nach originellen Wortneuschöpfungen. Dazu wurde ein Internet-Portal eingerichtet, in dem Adoleszenten Exemplare aus ihrer Sprachrealität nennen können, die sie nicht missen wollen.
Binnen kurzer Zeit wurden auf der Seite "Szenesprachewiki" Aberhunderte von Wörtern deponiert – von „Krampfadergeschwader“ (Ansammlung älterer Menschen) über Büffelhüfte (Frau mit ausladendem Becken) bis „Fratzengeballer“ (Gewalt-Computerspiel); von „Dreckberry“ (Blackberry) über "Mopfer" (Mobbingopfer) bis „Beef“ (Streit).
Ob diese Beispiele jugendlicher Rhetorik nun von besonderem Sprachwitz oder gar Feingefühl zeugen, sei dahingestellt. Jugendkulturen bringen Sachverhalte seit jeher ungeschönter und also drastischer auf den Punkt als Vertreter anderer Generationen. Ebenso ist es nicht zu bemängeln, dass den jungen Leuten ein Sprachforum eingeräumt wird, das zur Selbstverständigung lädt.
Auch ist nichts dagegen zu sagen, dass Deutschlands führende Wörterbuchverlage in jüngerer Zeit so viel Energie darauf verwenden, ein jüngeres Publikum für sich zu gewinnen. Die anhaltende Krise der gedruckten Enzyklopädien im Online-Zeitalter verlangt nach neuen Wegen und neuen Interessentenschichten.
Bedenklich allerdings erscheint zweierlei: Zum einen die drohende Verzettelung in immer mehr Jokus-Speziallexika mit immer abstruseren Pseudo-Wissensgebieten à la „Arzt – Patient, Patient– Arzt“. Zum anderen der Eindruck, dass sich die Editionshäuser den Jugendlichen auf eine Art andienen, die deren Jargon wohl mit dem Wort „einschleimen“ beschreiben würde.