Er war ein Kriegsheld, ein talentierter Stratege und - trotz seiner Jugend - ein charismatischer Führer. Dazu nicht nur von fürstlicher Abstammung, sondern auch hohem, selbst erarbeitetem Rang. Die Rede ist allerdings nicht von Alexander dem Großen oder einem Condottiere wie Cesare Borgia, sondern von einem Mann, von dem nicht einmal die genauen Lebensdaten geschweige denn sein ursprünglicher Name bekannt sind, und der in seinen Kinderjahren weder die Annehmlichkeiten eines Bettes noch die Gelehrsamkeit einer Schule erfahren hatte.
Der Cherusker Arminius, wie ihn die Römer nannten, den Luther erst zu "Heer-Mann", also Hermann, machte, ist eine schemenhafte Figur, so sehr, dass buchstäblich jede Epoche ein ihr genehmes Bild darin entdecken konnte. Sicher ist im Grunde nur, dass Arminius der römischen Weltmacht eine ihrer nachhaltigsten Niederlagen beigebracht hat. Und weil sich diese Schlacht im Teutoburger Wald in diesem Jahr zum 2000. Male jährt, hat sich auch die Geschichtsredaktion des ZDF daran gemacht, die Spuren des Cheruskers zu einem Zweiteiler der Reihe "Terra X" zusammenzubinden.
Herausgekommen ist ein von Otto Sander gesprochenes Dokudrama auf der Höhe der Zeit, mit eindrucksvollen wie belehrenden Spielszenen, aufwändigen Computeranimationen und Statements zahlreicher ausgewiesener Historiker und Archäologen.
Zu loben ist dabei der Mut, nicht, wie mittlerweile üblich, den Verlierer der Schlacht, den römischen Statthalter Publius Quinctilius Varus in den Mittelpunkt zu stellen, sondern den Sieger, einen Mann Mitte 20, dessen Karriere und Denken es aus einer dürftigen Überlieferung aus den Zeugnissen des Feindes zu rekonstruieren gilt. Das Ergebnis macht einmal mehr klar, wie heikel solche Versuche wirklich sind.
Die Geschichte beginnt in einer armseligen Hütte, Sitz von Segimer, der gleichwohl zum Adel der Cherusker gehört. Römische Soldaten, geführt von Cheruskerfürst Segestes, sind gekommen, um die beiden Söhne des Segimer abzuholen. Sie sollen als Geiseln für das Bündnis garantieren, das die Römer den Cheruskern (und anderen Stämmen) östlich des Rheins mehr oder weniger aufgezwungen haben.
So holzschnittartig und hygienisch rein die Szenen daherkommen, so konturieren sie doch klar den Clash of Civilizations, der sich unter der Regierung des Kaisers Augustus (31 v. Chr.-14. n. Chr.) um die Zeitenwende zwischen Rhein und Elbe vollzog. Anders als in Gallien gab es in Germanien keine fest gefügten politischen Strukturen, Städte, Straßen oder Menschen, die eine Vorstellung davon gehabt hätten.
Großfamilien lebten in Einhäusern zusammen mit ihrem Vieh. Krieg diente dem Beutemachen und wurde gegen Nachbarn geführt. Von dem Weltreich, das bis an den Euphrat reichte und das nun daran ging, die riesigen Räume Mitteleuropas als provinziales Glacis zu organisieren, hatten die Germanen keine Vorstellung.
Arminius erhielt eine gediegene Ausbildung und machte im Heer Karriere. Im großen pannonischen Aufstand (in Dalmatien, Westungarn), den Rom nur unter Aufbietung von bis zu 15 Legionen niederschlagen konnte, machte er sich als Führer einer Auxiliar-Einheit einen Namen. Längst waren die Römer dazu übergegangen, ihre berittenen und andere Spezialtruppen unter Barbaren zu rekrutieren.
So war es im Grunde eine gute Wahl, als Arminius als Reiterpräfekt dem Varus mitgegeben wurde, der im Jahre 7 mit dem Auftrag nach Germanien zog, das Land in eine reguläre römische Provinz zu verwandeln. Der Proconsul, der zuvor Syrien mit der wichtigen Orientarmee kommandiert hatte, besaß alle Fähigkeiten, die ein römischer Spitzenbeamter haben musste, kommentiert der Historiker Werner Eck.
Damit widerspricht er im übrigen der Tendenz der römischen (und einzigen) Überlieferung, die Varus als überheblichen Ignoranten darstellt. Auf diese Weise wurde die alleinige Verantwortung für die Niederlage dem Statthalter aufgebürdet und nicht seinem kaiserlichen Auftraggeber.
Mangels eines strategischen Straßennetzes waren Flüsse die Einfallstore nach Germanien. Varus bezog mit der XVII., XVIII. und XIX. Legion das große Lager Haltern an der Lippe. Von hier zog er im Sommer in die Gebiete der Stämme, um das zu tun, was ein römischer Spitzenbeamter tat: Recht sprechen, Tribute eintreiben, für Ordnung sorgen.
Der Film zeigt, wie die römische Armee, mehr als 20.000 Mann plus umfangreichem Tross mit speziellen Booten, Prahnen, die trotz eines Tiefganges von 40 Zentimetern bis zu 53 Tonnen transportieren konnten, vorankamen. Neue Funde unterhalb der Porta Westfalica lassen den Schluss zu, dass Varus hier sein Sommerquartier aufschlug. Als aber der Herbst nahte, folgte er nicht dem erprobten Lippe-Weg, sondern zog in den unwegsamen Norden, wo, wie Arminius ihm gemeldet hatte, unruhige Germanen zur Räson zu bringen waren. Der Todesmarsch der Legionen begann.
Wie die dreitägige Schlacht geschlagen wurde, wie der Tross verloren ging, die schwer bewaffneten Legionäre sich an wechselnden Orten immer wieder der Guerilla-Taktik der ortskundigen Germanen zu erwehren hatten, wie Verzweiflung im römischen Heer um sich griff und die Verluste immer größer wurden - allein das macht den Film schon sehenswert.
Er folgt der herrschenden Meinung, nach der am Engpass von Kalkriese nördlich von Osnabrück der Endkampf geschlagen wurde. Seit Jahren erforschen Archäologen hier ein riesiges Schlachtfeld, auf dem sich zahlreiche Zeugnisse von Leichenfledderei an Legionären erhalten haben.
Aber warum kam es dazu? Warum wechselte ein hoch dekorierter Offizier und römischer Bürger wie Arminius auf einmal die Seiten, und wie gelang es ihm, dass die ihm unterstellten Truppen, immerhin das Gros von Varus' Reiterei, ihm folgten? Auch wenn die befragten Autoritäten unisono erklären, dass es kein belastbares Zeugnis gibt, das Auskunft darüber geben könnte, folgt der Film dem Generalbass, nach dem es Freiheitswille war, der den Arminius antrieb.
Sei es das Elend, das er bei den Germanen erblickte, die Erinnerung an eine Kindheit in Freiheit, der Hass auf die mit Rom kollaborierenden Adeligen. So erscheint Arminius doch am Ende als der altruistische Freiheitskämpfer, mit dem die Humanisten des 16. Jahrhunderts die deutsche Geschichte beginnen ließen und dem das 19. Jahrhundert als Kämpfer gegen welsche Unterdrückung Denkmäler setzte.
Dabei hatte Arminius vermutlich nur Typen wie den Markomannen Marbod vor Augen, der sich, ebenfalls eine Ex-Geisel in Rom, um Christi Geburt in Böhmen eine Herrschaft zusammengerafft hatte. Macht und Beute statt Freiheit und Ruhm, das wäre auch für Arminius' Leute eine ordentliche Motivation gewesen. Der Film aber verliert sich in Pathos, wo Realismus, der sich auf historische Erfahrung gründet, doch viel näher gelegen hätte.
"Kampf um Germanien 1: Der Verrat des Arminius", Sonntag, 19.30 Uhr; Teil 2: "Die Schlacht im Teutoburger Wald", 29. März, 19.30 Uhr