Einfach nur passiv fernsehen? Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Viele TV-Zuschauer diskutieren mittlerweile live, was sie von den Sendungen halten – bei Twitter. Besonders beliebt ist dabei “Deutschland sucht den Superstar“. Eine Studie zeigt jetzt, wie das Twitter-Fieber bei einzelnen Kandidaten der Show ausschlägt.
Wenn Dieter Bohlen im Fernsehen Superstars sucht, greift die Nation zum Smartphone. Keine Sendung hat ein so großes Twitter-Echo wie "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS). 11.000 Mal wurde die Show in zwei Wochen auf Twitter (www.twitter.com) erwähnt. "Tatort" und "Schlag den Raab" folgen auf den Plätzen zwei und drei mit 6000 und 2000 Tweets. Dies belegt eine Studie des Mediendienstleisters X-Ray in Kooperation mit den Werbeagenturen Lowe und Scholz & Friends. Wer glaubt, der deutsche Fernsehzuschauer sitze passiv vor der Glotze, irrt. Vor allem Jüngere nutzen das Medium zunehmend aktiv. Doch viele Sender hören ihnen nicht zu.
Im Vergleich sind die DSDS-Twitterer parteiisch und besprechen die Kandidaten sehr intensiv. "So will ich auch singen können", heißt es in einem Tweet über Bewerberin Ina. Ihre Kollegin Kim kommt hingegen nicht so gut weg. Twitterer kritisieren zum Beispiel ihre Schminke. Zu Kandidat Menderes werden kontroverse Meinungen geäußert. "Könnte es denn sein, dass man ohne Talent, aber mit genügend Hartnäckigkeit doch was wird? Äh, nein, kann nicht sein", schreibt ein Twitterer. So kontrovers wie die Kandidaten wird auch die ganze Sendung bewertet. Neben 327 positiven Kommentaren gab es 298 negative.
Wer DSDS sieht, twittert aus dem Bauch heraus und überlegt nicht lange. Lob und Tadel werden unverzüglich ins Handy getippt und ins Twitterversum geschickt. Dieser Trend zeigt sich deutlich in den Werbepausen, wenn der Fluss der Tweets schlagartig abbricht. Twitter ist ein Impulsmedium, bei dem die User nicht lange überlegen, was sie schreiben, sondern unmittelbar und ungefiltert ihre Meinung abgeben.
Die Zuschauer von "Schlag den Raab" (SDR) reagieren anders: Während bei der Bohlen-Show anscheinend massenweise Superstar-Hasser und Fremdschämer vor der Glotze sitzen, die schnell zum Twitter-Handy greifen, sind die Raab-Twitterer überwiegend Fans: 241 positiven Kommentaren stehen 76 negative gegenüber.
Trotz der Länge von fast vier Stunden gibt es bei dieser Sendung gleich bleibende Reaktionen des Publikums. Das könnte nach Meinung der Twitter-Forscher daran liegen, dass der Sender Pro7 und die Sendung "TVtotal" den Nachrichtenstrom durch die eigene Moderation mit Kurznachrichten steuern. Da heißt es dann: "So, das war doch ein rundum gelungener Abend! Seid ihr mit dem Abend auch zufrieden? Was macht ihr jetzt noch schönes?" oder "Die Hörbücher vom Dalai Lama - kleiner #Kauftipp vom Cheffe für alle #Nena-Fans".
Ganz anders ist es beim Tatort. Zum Sonntagskrimi gibt es unter den Twitterern zwei Lager: Kritiker und Fans. Im Schnitt beteiligen sich knapp 800 Twitter-Nutzer an der Diskussion über Mörder, Opfer und den Ort des Verbrechens. So gab es laut Twitter-Studie zum "Polizistinnenmörder" (17. Januar) 327 positive und 220 negative Stimmen. "Und wieder einen Mörder überführt. Borowski ist der Größte", heißt es da. Andere glauben gar, ein Plagiat entdeckt zu haben: ",Und das ist Körperverletzung!' - ,Körperverletzung, mit Kaffeekanne' - Sylvester Stallone Dialoge im #Tatort #Münster tihihi" oder ergötzen sich an getwitterten Dialogen ",Sind sie Gott oder was?' - ,Nein, aber leidenschaftlich Westfälin'".
Eine hohe Einschaltquote heißt noch lange nicht, dass auch viel getwittert wird. Zwar sahen sich am 23. Januar mehr als zehn Millionen Menschen Thomas Gottschalks "Wetten, dass..?" an. Aber nur 560 twitterten über die Sendung. Die Raab-Folge wenige Tage zuvor erreichte zwar nur 3,77 Millionen Zuschauer, hatte aber mehr als 1000 Twitterer. Das mag vor allem an der Zielgruppe liegen, wie Andreas Quest, Managing Director des Mediendienstleisters X-Ray sagt. Der durchschnittliche Twitterer in Deutschland ist nach einer Analyse der Site webevangelisten.de (webevangelisten.de) 31 Jahre alt.
Was zeigt diese Studie? Die meisten Fernsehsender haben die Bedeutung von Social Media noch nicht verstanden. "Das ZDF hat zwar eine schöne Mediathek, aber es gibt keine Interaktion mit den Zuschauern", sagt Quest. Eine vertane Chance, wie Nico Lumma, Social Media Direktor bei Scholz&Friends, meint: "Twitter ist direkt und schnell. Dieser unmittelbare Draht zu den Zuschauern bedeutet, dass TV-Sender über den Dialog mit den Usern das Gespräch über das Programm und die damit verbundene Neugier auf neue Sendungen noch verbessern können."
Pro7 macht im Fall von "Schlag den Raab" vor, wie das funktioniert. Das Portal hat eine eigene Plattform. Zusätzlich werden Nachrichten über gebrandete Twitter-Accounts verbreitet. Das binde die Zielgruppe an den Sender. "Die Öffentlich-Rechtlichen Sender haben da noch einiges zu tun", sagt Quest.